86
[71/72]
bleibender Technik der Arbeit, jedes Mehr an Kapital und Arbeit
über ein gewisses Bestverhältnis (das O p t i m u m des Aufwandes)
hinaus einen immer geringeren Mehrertrag gibt. Demnach haben
von jenem Punkte an gleiche Kapital- und Arbeitszusätze nicht
mehr gleiche, sondern abnehmende Ertragszuwüchse; oder allge-
meiner ausgedrückt: die Mehraufwände arbeiten unter sonst gleichen
Umständen mit abnehmender Ergiebigkeit. Bringt z. B. ein Auf-
wand von 1000 Kapitaleinheiten Erträge von 500, so brächte ein
zweites Tausend nur 300, ein drittes nur 200 und so fort.
Diese Anschauung wurde im Kerne schon von T u r g o t , fernerhin
von James Anderson (1777)
1
, später von Eduard West (Versuch über die
Anwendung von Kapital auf den Boden, 1815) begründet. Fälschlich wird
sie / in Verbindung mit der Grundrentenlehre an R i c a r d o s Namen,
auch an den noch späteren Nassau William Seniors (An Introductory
Lecture on Political Economy, London 1826), angeknüpft. Das „Gesetz des
abnehmenden Bodenertrages“ wird bis heute von den meisten Lehrern,
trotzdem es auch immer wieder Gegner fand, vertreten.
Die Notwendigkeit abnehmenden Ertragszuwuchses vom er-
reichten O p t i m u m a n ist sogar logisch deduzierbar! Darüber in
aller Kürze folgendes: Im Gewerbe wird die Forderung, das Dop-
pelte an Erzeugnis zu liefern, dadurch erfüllt, daß man 2 Arbeiter,
2 Maschinen, 2 Rohstoffe dort setzt, wo früher nur einer war.
In der Arbeit auf dem Boden ist aber die Tatsache grundlegend,
daß die Fläche eines Grundstückes und auch das dazugehörige Maß
von Licht, Luft, Wärme, Feuchtigkeit und Nährstoffen streng
gegeben (oder doch sehr begrenzt) ist, so daß also in der ackerbau-
lichen Erzeugung eine Reihe von Hervorbringungsbedingungen
unveränderlich f e s t g e l e g t sind und nur die in Arbeits- und
Kapitalaufwand gegebenen Bedingungen beliebig verändert werden
können. W e n n a b e r e i n i g e H e r v o r b r i n g u n g s b e d i n -
g u n g e n f e s t g e l e g t s i n d , s o k a n n d i e e i n s e i t i g e
V e r m e h r u n g d e r n i c h t f e s t g e l e g t e n u n m ö g l i c h
v o l l e , d i e s e r V e r m e h r u n g e n t s p r e c h e n d e E r t r ä g e
l i e f e r n ; die immer weiteren einseitigen Zusätze können in die-
1
James Anderson: An Inquiry into the Nature of the Corn-laws,
Edinburgh 1777; deutsch: Drei Schriften über Korngesetze und Grund-
rente, herausgegeben von Lujo Brentano, Leipzig 1893. — Anderson ent-
wickelte auch die unten bei Ricardo vorgetragene Grundrentenlehre,
allerdings mit entgegengesetzten wirtschaftspolitischen Folgerungen,
siehe unten S. 97.