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Malthus den Streit um dessen Lehre wieder

1

, fand aber bei einer großen

Zahl der damaligen deutschen Fachgelehrten, z. B. bei Adolph Wagner,

Dietzel, Bortkiewitsch, scharfen Widerspruch. Daneben vertrat eine Reihe

von Gelehrten, vor allem J u l i u s W o l f , später M o m b e r t , L u j o

B r e n t a n o und andere, die Meinung, daß für das moderne Zeitalter

das Malthusische Gesetz nicht mehr gelte. Julius Wolf macht die „Rationa-

lisierung des Geschlechtslebens“ für den Geburtenrückgang verantwort-

lich, Momberts Wohlstandstheorie sagt, der Geburtenrückgang beruhe

auf gesteigertem Wohlstande

2

.

/

Von den Anhängern Malthusens wurde damals, vor 1914, in der Regel

nur die Formulierung der beiden P r o g r e s s i o n e n , die übrigens bei

Malthus eine geringe Rolle spielt, abgelehnt. Aber meines Erachtens hin-

sichtlich der Bevölkerungsvermehrung mit Unrecht. Hier kann zwar be-

züglich der Verdoppelungszeit eine Meinungsverschiedenheit herrschen,

die geometrische Progression aber ist eine logische Notwendigkeit. Der

Zeitraum von 25 Jahren, den Malthus annahm, ist wohl zu klein; wie man

ihn aber spanne: immer wird nach einer gewissen Zeit die Bevölkerung

sich verdoppelt haben, und nun steht die zweifache Anzahl neuerdings

zur Verdoppelung bereit, und zwar im gleichen Zeitraume, w e n n d i e

g l e i c h e V e r m e h r u n g s k r a f t a n g e n o m m e n w i r d . Daraus

ergibt sich notwendig das Fortschreiten in Verdoppelungen, also geo-

metrisch.

Nun könnte man wohl einwenden, daß ja auch die Bodenerträgnisse

sich nach einer gewissen Zeit verdoppeln müssen, da selbst beim Fort-

schreiten 1, 2, 3, 4 . . . vier doch eine Verdoppelung von zwei sei. Aber

dies ist doch etwas anderes; denn die Bevölkerung behält nach der

Voraussetzung an jedem Punkte d i e g l e i c h e V e r m e h r u n g s k r a f t

bei; der schon bebaute Boden dagegen hat, da seine Fläche gleichbleibt,

voraussetzungsgemäß i m m e r g e r i n g e r e F ä h i g k e i t z u r V e r -

m e h r u n g d e r E r t r ä g e , das ist eine abnehmende Fortschreitung,

wie sie z. B. von 1 zu 1, zu

V«,

zu

Vs,

3

U

usw. geht

3

.

b.

Die Lehre vom ab- und zunehmenden Ertragszuwachs

Die Vermehrung der Bodenerträgnisse ist in der Wirklichkeit

unstetig und sprunghaft. Der grundsätzliche Tatbestand wird zu-

nächst durch das sogenannte „Gesetz des abnehmenden Boden-

ertrages“ — richtiger: abnehmenden Ertrags zu w u c h s e s — be-

zeichnet, welches besagt: daß in der Bodenbebauung, bei gleich-

1

Siehe unten S. 90.

2

Vgl. unten S. 91 und Julius Wolf: Ein neuer Gegner des Malthus, in:

Zeitschrift für Sozialwissensch., Bd 4, 1901. — Ders.: Der Geburtenrück-

gang, die Rationalisierung des Geschlechtslebens, Jena 1912. — Paul

Mombert: Studien zur Bevölkerungsbewegung in Deutschland, Karlsruhe

1907. — Vgl. die Arbeiten von F. Burgdörfer, insbesondere: Der Gebur-

tenrückgang und seine Bekämpfung, 1929. — Walter Heinrich: Wirt-

schaftspolitik, Bd 1 (Wien 1948), 2. Aufl., Berlin 1964.

3

Vgl. aber unten S. 87, Anmerkung.