Table of Contents Table of Contents
Previous Page  5698 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 5698 / 9133 Next Page
Page Background

14

[17/18]

nimmt“, sagt Leibniz, „doch tritt sie uns sehr häufig geschminkt

entgegen oder stellt sich uns verhüllt, ja geschwächt... dar. Wenn

man die Spuren der Wahrheit bei den Alten ... kenntlich machte, so

würde man das Gold aus dem Kot, den Diamanten aus der Grube

und das / Licht aus der Finsternis ziehen, und es wäre das in der

Tat p e r e n n i s q u a e d a m p h i 1 o s o p h i a.“

1

Wie aber nichts in dieser Welt vollkommen ist, so bleibt auch

hier noch manches an Irrtum und Kampf zurück. Darüber belehrt

uns Schiller:

„Nur das feurige Roß, das mutige, stürzt auf der Rennbahn,

Mit bedächtigem Paß schreitet der Esel daher.“

II. Die Grundeinteilung der philosophischen Lehrgebäude.

Unterscheidung von Grunderlebnis, Begriffs-

gestaltung und Fehlformen

Unsere Behauptung, die Zurückführung der philosophischen Be-

griffsgebäude auf ihre einfachsten Gründe ergebe zuletzt nur zwei

große Lager: das empiristische und das nichtempiristische oder

idealistische — wird sich des Einwandes zu versehen haben, daß

diese Einteilung nicht hinreiche, die mannigfaltigen und sich durch-

kreuzenden Gegensätze aufzunehmen. Wir werden aber zeigen, daß

die folgestrenge Anwendung unserer Einteilung auf sämtliche Be-

griffsgegensätze in den Philosophien möglich ist, und daß keine

anderen ursprünglichen Gegensätze zwischen den Systemen beste-

hen. Wir sagen nicht, daß jene vielfachen, alles verwirrenden Ge-

gensätze, die in den heutigen „Einleitungen“ und Geschichtswerken

angewendeten, in keinem Sinne bestünden. Sie bestehen, aber in

abgeleitetem, nicht ursprünglichem Sinne, sowie in Gebieten ge-

sonderter Denkaufgaben, deren Vorbedingungen eben zuletzt über-

all auf die letzte Scheidung in empiristische und nichtempiristische

Grundeinstellung zurückweisen.

Der E m p i r i s m u s — dieses Wort stets in weitestem Sinne

gebraucht — ist dadurch gekennzeichnet, daß er das in der Erfah-

1

Leibniz an Remon, 26. August 1714, in: Philosophische Werke, heraus-

gegeben von Arthur Buchenau und Ernst Cassirer, Leipzig 1924, S. 472 (= Philo-

sophische Bibliothek, Bd 108).