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Haltung des Philosophen, mit welcher er erst an die Ausarbeitung
des Begriffsgebäudes herangeht. Diese grundsätzliche Haltung, diese
bestimmte Art, die Dinge zu sehen (von der aus, wie gesagt, die
Ausarbeitung der Lehrbegriffe erst erfolgen muß), bezeichnen wir
wohl dadurch am deutlichsten als die letzte innere Voraussetzung
der Begriffsbildung, daß wir sie das p h i l o s o p h i s c h e
G r u n d e r l e b n i s nennen. Wir verstehen das Wort Erlebnis
dabei nicht im „psychologistischen“ Sinne, wodurch ihm etwas Zu-
fälliges, Persönliches, Naturalistisches anhaften würde, sondern als
unmittelbares Erfassen, unmittelbares / Innewerden, genauer ge-
sagt: als E i n g e b u n g , „Intuition“, welche ja jeder verarbei-
tenden Begriffsbildung (dem „diskursiven Begriff“) zugrunde liegen
muß. Beweist doch sogar die Geschichte der Einzelwissenschaften,
daß jedem zerlegenden, vermittelnden (diskursiven) Begriffe ein
Unmittelbares, eine Eingebung (intuitiver Begriff) vorausgehe. Um
wieviel mehr muß das von der Philosophie gelten!
Indem wir die Eingebungsgrundlage des Philosophen, die innere
Voraussetzung seiner Begriffe, sein Grunderlebnis von der begriff-
lichen Ausarbeitung, dem B e g r i f f s g e b ä u d e , in welches er
seine Eingebung jeweils bringt, trennen, tun wir einen entscheiden-
den Schritt in der Einteilung und Beurteilung der Philosophien.
Denn nicht mehr die begrifflichen Unterschiede der Lehrgebäude
allein sind es jetzt, die entscheiden; daher auch insbesondere nicht
die Verschiedenheiten der Kunstausdrücke, durch welche die be-
grifflichen Unterschiede vornehmlich zur Erscheinung kommen;
vielmehr ist es nunmehr zuletzt die Eingebungsgrundlage, welche
über Art und Inhalt einer Philosophie entscheidet. So eröffnet sich
uns ein neuer Ausblick für das Verständnis der Geschichte der Philo-
sophie.
Wir kommen damit auf die letzte der oben gemachten Unterschei-
dungen, die Fehlformen. Die Eingebungsgrundlage einer Philo-
sophie nämlich unterliegt einem bestimmten Urteile. Aber abge-
trennt davon ist noch zu prüfen: Ob das Begriffsgebäude der Ein-
gebungsgrundlage angemessen, „adäquat“, sei oder nicht; ferner, ob
es in sich folgerichtig sei, ob es das Arteigene der Begriffsbildung,
das aus der Erlebnisgrundlage folgt, festhalte oder nicht. In letztem
Falle v e r m i s c h t es Begriffe, die mehreren Standpunkten an-
gemessen sind, und enthält dadurch Widersprechendes. Das in