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die ein mechanistisch aufgefaßtes Gesetz des abnehmenden Mehr-

ertrages verlangt.

Hieraus ergibt sich auch: daß das G e s e t z d e r a b - u n d

z u n e h m e n d e n M e h r e r t r ä g e k e i n m e c h a n i s c h e s ,

k e i n „ N a t u r g e s e t z “ ist, vielmehr eine bestimmte Weise der

Zielerreichung, nämlich durch sinnvolle Entsprechungen bei zu-

wachsenden Mitteln (innerhalb des jeweiligen Gliederbaues schon

gegebener Mittel), anzeigt.

c.

Die Einwände gegen Malthus

Die Einwände der Sozialisten sind zum Teil völlig irrig, wie:

daß die körperliche Vermehrungskraft der Menschen mit fort-

schreitender Entwicklung abnehme (so C a r e y

1

und der englische

Philosoph H e r b e r t S p e n c e r ) ; zum Teil treffen sie nicht den

Kern der Lehre, wie: daß die Erde vorläufig noch genug unbebau-

ten Boden habe.

Letzterer sehr beliebter Einwand gibt vielmehr gerade die Richtigkeit

des Übervölkerungsgedankens zu, denn nur, wenn der alte Boden voll

besetzt ist, greift man zu neuem. Übrigens ist hier auf die ungeheuren

Schwierigkeiten der Urbarmachung und Besiedelung jungfräulichen Bo-

dens hinzuweisen, welche so groß sind, daß sie nur unter dem Drucke

der Übervölkerung, vor allem, indem er zur Auswanderung zwingt,

bewirkt wird

2

. Die Grausamkeiten, Kämpfe und Gefahren, die mit der

Verdrängung der Ureinwohner jener Länder verbunden sind, stehen dem

weiterhin entgegen. — Theoretisch ist mit diesem vielberufenen Hinweise

auf überflüssige Böden also nichts widerlegt; / praktisch aber ist er inso-

fern belanglos, als ein V o l k d e n e i g e n e n B a u e r n s t a n d

d u r c h E i n f u h r v o n L e b e n s m i t t e l n n i c h t p r e i s g e b e n

k a n n . Wenn nämlich die Landwirtschaft eine Zeitlang infolge des stei-

genden Bedarfes der wachsenden Bevölkerung zu immer unergiebigeren

Böden übergegangen ist und nun plötzlich durch neue, billige Verkehrs-

wege ferne fruchtbare Gebiete erschlossen werden, so würde das Herein-

lassen dieser billigen Erzeugnisse die Vernichtung des eigenen Bauern-

standes bedeuten. In einem solchen Falle befanden sich Deutschland,

Österreich-Ungarn und fast ganz Europa, als in der Mitte der siebziger

Jahre des 19. Jahrhunderts durch Vervollkommnung der Dampfschiffahrt

die billige Verfrachtung von Getreide aus überseeischen Ländern möglich

und Deutschland gleichzeitig infolge des Wachstums seiner Bevölkerung

zum Getreide einführenden Lande wurde. Soll ein Volk unter solchen

Umständen seine Landwirtschaft nicht zur extensiven Wirtschaft treiben

und so seinen Bauernstand größtenteils verlieren, so muß es durch Zoll-

1

Siehe unten S. 90.

2

Eine Vorstellung von diesen Schwierigkeiten gibt Juani Ahos No-

velle: Die Ansiedlung (deutsch aus dem Finnischen, Reclam).