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grund treten — obwohl auch sie grundsätzlich von der Sinnes-
erfahrung abgeleitet werden —, wirkt sich das auch im Be-
g r i f f s g e b ä u d e aus. Nicht mehr die Sinnesempfindung,
sondern das D e n k e n mit seinen logischen Formen tritt nunmehr
in den Mittelpunkt. Damit erhält der begriffliche Zusammenhang
eine neue Wendung. Die Untersuchung des E r k e n n t n i s v e r -
m ö g e n s wird nun zum wichtigsten Ziel des Empirismus. Der
einfache Empirismus führt damit zum R a t i o n a l i s m u s und
führt ferner zur höheren Ausbildung der V e r f a h r e n l e h r e
(deren Bild aber oben schon mit jenem des einfachen Empirismus
entworfen wurde).
Bleibt auch der Rationalismus durchaus auf sensualistischer
Grundlage, indem auch er alles Denken von der Sinneserfahrung
ableitet, so will er doch überall im Leben der Menschen — wenn
auch nicht in der Natur — die V e r n u n f t finden. Dadurch wird
nun der Relativismus abgeschwächt; der Utilitarismus wird weniger
ein hedonistischer, die Lustempfindung geradewegs zugrundelegen-
der, als ebenfalls ein / rationalistischer, das heißt ein die vernünf-
tigen Erwägungen der Menschen zur Erlangung eines dauernden
Lustmaximums in den Mittelpunkt stellender Utilitarismus; ebenso
wird der gesellschaftliche Individualismus seiner unmittelbaren
sinnlichen Ichsucht entkleidet und mehr zu einem r a t i o n a l i -
s t i s c h e n N a t u r r e c h t fortgebildet, indem er vor allem
ein v e r n u n f t g e m ä ß e s Gesellschaftsleben begründen will.
II.
Die wichtigsten geschichtlichen Formen des Empirismus
Im folgenden handelt es sich nicht um Geschichte der Philosophie,
sondern lediglich um Hervorhebung jener Hauptpunkte an ge-
schichtlichen Lehren, welche das frühere belegen und erläutern.
A. Der e i n f a c h e E m p i r i s m u s
1 . D i e S o p h i s t e n
Der Schwerpunkt der sophistischen Lehren ist in den relativistischen
und subjektivistischen Folgerungen zu erblicken, die sie aus dem Sen-