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2. Die S k e p t i k e r

Der sogenannte ältere Skeptizismus, begründet durch P y r r h o n

von Elis, einem Zeitgenossen Alexanders des Großen, lehrte

1

, „daß

nichts weder schön noch häßlich, weder gerecht noch ungerecht sei“,

sondern die Menschen in allem der Gewohnheit folgten. Weder die

Sinneswahrnehmung gewährt sicheres Wissen, noch auch die Ver-

nunfterkenntnis. Da alles objektive Erkennen unmöglich sei, bleibe

nichts als die gänzliche Zurückhaltung des Urteils

(

έποχή

).

„Wir

bestimmen nichts“

(

ούδεν ύρϊζομεν

),

pflegten die Skeptiker zu

sagen, fügten aber hinzu „und auch das nicht“. Aus der Zurück-

haltung des Urteils, der Ablehnung aller Wissenschaft folgerten

sie die Notwendigkeit der Unerschütterlichkeit

(

άταραξία

)

des Ge-

mütes. Der skeptische Weise lebt in innerer Ruhe, in unbewegt

gleicher Gesinnung. Zwischen Gesundheit und Krankheit, Glück

und Unglück macht diese skeptische Apathie keinen Unterschied. —

Verwandte Ansichten vertrat der sogenannte j ü n g e r e S k e p -

t i z i s m u s : die Griechen A e n e s i d e m u s , 1. Jahrhundert

v. Chr., und S e x t u s, der Empiriker, um 200 n. Chr.

Der innere Widerspruch jedes Relativismus, der in der Behaup-

tung liegt, es gebe keine Wahrheit, während dieser Satz doch eben

Wahrheit beansprucht, dieser Widerspruch tritt durch die schroffe

Form, welche ihm der Skeptizismus gibt, klar hervor. Was aber die

Skep- / tiker groß macht und von allen anderen Sensualisten, Re-

lativisten, Hedonisten und Materialisten unterscheidet, ist die Art,

mit welcher sie den Zweifel am Sinn der Welt trugen. Nicht eine

oberflächliche Lustlehre und Nützlichkeitslehre, sondern Verzweif-

lung, welche sie über das Leben erhebt und sie das Leben verachten

läßt, eine tragische Haltung, die ans R o m a n t i s c h e erinnert,

ist es, was sie daraus folgerten.

Die schließliche Gesamthaltung, die aus der skeptischen Ironie und

Lebensverachtung folgt, hat andrerseits etwas Unheimliches und

Dunkles an sich. Die Verachtung des Wissens und der Wissenschaft

steigert sich bis zur Verachtung aller Kultur überhaupt. Selbstver-

neinung in jeder Hinsicht ist damit das letzte Wort der Skepsis.

In ihrer Lebensauffassung setzten die Skeptiker zweifellos eine k y n i s c h e

L e h r e fort, jene Lehre, welche sich bei gewissen Schülern des Sokrates, nämlich

1

Nach Diogenes Laertius, IX, 61.