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sualismus zogen. Der Sophist P r o t a g o r a s (um 400 v. Chr.)

sagte: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge

(

άνθρωπος μέτρον

πάντων

) der

seienden, daß sie sind, der nichtseienden, daß sie nicht

sind.“ „Entgegengesetzte Behauptungen sind gleich wahr.“ Der Sinn

ist, daß jeder einzelne Mensch für sich jeweils das Maß seines Ur-

teils sei, daher auch entgegengesetzte Behauptungen mehrerer Men-

schen für diese jeweils wahr seien. — Hier zeigt sich deutlich das

Entscheidende des Subjektivismus: daß er nämlich ein über den

Einzelnen Stehendes, ein Über-Dir leugnet. Der gegenteilige Satz

des Idealismus: „Gott ist das Maß aller Dinge“

(

δεός μέτρον πάντ

-

ων

1

)

behauptet ein Über-Dir, das sowohl den Seelen wie dem

Kosmos ein Richtmaß ist. — Es versteht sich von selbst, daß in dem

erkenntnistheoretischen Sensualismus und Subjektivismus des Pro-

tagoras auch schon der Grund für den sittlichen Sensualismus (He-

donismus) und Subjektivismus sowie für den gesellschaftlichen In-

dividualismus gelegt war.

Alle diese Folgerungen wurden rasch gezogen. Die Sophisten K a l l i k l e s

u n d T r a s y m a c h o s sprachen offen „das Gesetz des Stärkeren als Gesetz der

Natur, die rücksichtslose Befriedigung der Lust als das natürliche Recht des

Stärkeren und die Aufstellung beschränkender Gesetze als listige Erfindung der

Schwächeren“ aus. „K r i t i a s stellt den Glauben an die Götter als Erfin- /

dung schlauer Staatsmänner dar“ (Albert Schwegler). Von den Schülern des Sokra-

tes fiel später A r i s t i p p o s aus Kyrene in die Empiristik zurück, weshalb ihn

Aristoteles mit Recht als Sophisten bezeichnet. Aristippos lehrt, daß die Lust der

Zweck des Daseins sei, und zwar sei die sinnliche Lust besser als die geistige. Um

den Menschen genußfähig zu machen und zu erhalten, bedürfe es allerdings der

Selbstbeherrschung und Besonnenheit. Nur der Weise könne daher wahrhaft

glücklich sein. „Konsequenter als Aristipp“, sagt Friedrich Albert Lange, „war kein

sensualistischer Ethiker des Altertums oder der Neuzeit“

2

. Bekannt ist die zer-

setzende Wirkung der Sophisten auf die gesamte griechische Kultur, die aller-

dings auch mit Schein-Aufschwung verbunden ist. Sie begann auf religiösem Ge-

biete. „Asiatische Kulte . . . fanden . . . Anklang . . . Auf Kunst und Wissenschaft

wirkten die sensualistischen Doktrinen nicht minder umgestaltend . .. Dagegen

verdankt man (den Sophisten) die Grundlegung der Grammatik und die Aus-

bildung einer mustergültigen Prosa . .. vor allem auch die höhere Ausbildung der

Redekunst. Die Poesie sank unter ihrem Einfluß allmählich von ihrer idealen Höhe

herab und näherte sich in Ton und Inhalt dem Charakter des Modernen.“

3

1

Platon: Gesetze, übersetzt und erläutert von Otto Apelt, Leipzig 1916, IV,

716 c (= Philosophische Bibliothek, Bd 159—160).

2

Friedrich Albert Lange: Geschichte des Materialismus und Kritik seiner

Bedeutung in der Gegenwart, 5. Aufl., Leipzig 1896, S. 32.

3

Friedrich Albert Lange: Geschichte des Materialismus und Kritik seiner

Bedeutung in der Gegenwart, 5. Aufl., Leipzig 1896, S. 37.