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durch, daß wir uns gewöhnt haben, die Vorstellung einer Kraft, die wir bei den

bewußten Bewegungen unserer körperlichen Organe empfinden, auf jene Ab-

folgen der Erscheinungen zu übertragen. — Ähnlich sagt Hume von dem Begriffe

der Substanz, daß er etwas rein Subjektives und durch Gewohnheit Entstandenes

sei. Gegeben sind uns nur „Impressionen“. Aus der regelmäßigen Ordnung, in der

wir sie empfangen, schließen wir fälschlich, daß ihnen ein beharrliches Substrat

zugrunde liege. — Daraus folgt nach Hume auch die Leugnung des I c h : Denn

wenn das Ich keine Substanz, das heißt nicht eine mit sich fortdauernd identische

Persönlichkeit, sein kann, können ihr auch die einzelnen Vorstellungen (Eigen-

schaften) nicht mehr inhärieren. Daher ist das Ich nichts anderes als ein „ b ü n d l e

o r c o l l e c t i o n “ , ein Komplex von Vorstellungen, denen wir ein erdichtetes

Substrat (eine Substanz) unterlegen, das wir Selbst, Ich oder Seele nennen.

Durch Humes Zerstörung des Begriffes der Notwendigkeit in der Ursächlich-

keit, die nun bloß Abfolge ist, wurde der empiristische Relativismus bis zur

S k e p s i s gesteigert und fiel auch der Gottesbegriff. Durch die Zerstörung des

Seelenbegriffes wurde auch der U n s t e r b l i c h k e i t jede Grundlage ent-

zogen.

Humes Sittenlehre ist utilitarisch. Er ist auch an der Begründung der i n -

d i v i d u a

1

i s t i s c h e n und m e c h a n i s t i s c h e n V o l k w i r t -

s c h a f t s l e h r e beteiligt, die sein Freund A d a m S m i t h (f 1790) voll-

zog.

Die S k e p s i s H u m e s gab allgemein Anlaß, ihm eine Sonderstellung in-

nerhalb des Empirismus einzuräumen, die aber unseres Erachtens zu weit geht.

So sagt z. B. K u n o F i s c h e r

1

: „Nach Hume ist die Kausalität weder

Erfahrungsbegriff [denn die Erfahrung beruht auf Eindrücken und die Kausalität

ist kein Eindruck], noch Verstandesbegriff, weder / a posteriori noch a priori,

also überhaupt kein Erkenntnisbegriff, a l s o g i b t e s ü b e r h a u p t k e i n e

E r k e n n t n i s , weder durch Induktion noch durch Deduktion. Wenn die Er-

kenntnis weder durch sinnliche Erfahrung noch durch den reinen Verstand mög-

lich ist..., dann ist sie überhaupt unmöglich. Daher endet Hume in Skepsis,

ähnlich wie Protagoras.“ — Solche dialektische Gegenüberstellungen sind in der

Hegelischen Geschichtsschreibung üblich. Hier ist sie nicht stichhaltig. Kuno Fischer

braucht nach dem dialektischen Verfahren eine Antithesis, die durch Kant in die

Synthesis übergeführt würde. In Wahrheit ist Humes Skepsis keine andere als die

Lockes und schließlich jedes Relativismus.

3 .

D e r E m p i r i s m u s i n d e n N a t u r w i s s e n s c h a f t e n .

D e r N e u p o s i t i v i s m u s

Die Anwendung des Empirismus auf die Naturwissenschaften mußte sich vor

allem im V e r f a h r e n z e i g e n , und zwar dadurch, daß alle Begriffe des

Zweckhaften, Lebensvollen, Sinnvollen, das heißt die teleologische Methode des

Aristoteles, verlassen wurden. Diesen Schritt praktisch zu tun, war nicht so ein-

fach, denn man mußte in der Naturwissenschaft erst neue Begriffe bilden, welche

die nunmehr entseelt und entgöttert gesehene Natur zu erfassen vermochten. Zum

ersten Male geschah dies in großem Stil durch die Physiker G a l i l e i (t 16421

und N e w t o n (t 1727). An die Stelle der teleologischen Vorstellung, daß

1

Kuno Fischer: System der Logik und Metaphysik oder Gesellschaftslehre,

3. Aufl., Heidelberg 1909, S. 96.