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Standpunkt aufrecht zu erhalten. Dem Empirismus nach haben wir

nur eine naturgesetzlich bestimmte Welt / vor uns, übersinnliche

Einwirkungen sind damit ausgeschlossen. Wir finden darum na-

mentlich bei den älteren Empiristen den Deismus (Newton, aber

auch Darwin, ähnlich Bacon, Hobbes, Locke und viele andere). Zum

offenen Atheismus wagten erst die Materialisten der französischen

Aufklärung und die deutschen Materialisten des 19. Jahrhunderts

überzugehen.

Der Zwiespalt, welcher hier herrscht, tritt denn auch in der Ge-

schichte überall dort auf, wo Lehren mit empiristischer Richtung

entstehen. Er kam im Nominalismus des ausgehenden Mittelalters

in der Form zum Ausdrucke, daß eine grundsätzliche Trennung von

Philosophie und Theologie als Folge der „Trennung von Wissen und

Glauben“ verlangt wurde. Es sollte eine z w e i f a c h e W a h r -

h e i t , eine theologische und eine philosophische geben — eine

Lehre, die in sich so unlogisch ist, daß sie nur politisch, nicht philo-

sophisch bedingt sein kann.

Ein anderer Versuch des Empirismus, ein Verhältnis zum Got-

tesbegriffe zu gewinnen, ist der reine P a n t h e i s m u s , wonach

Gott außerhalb der Welt (z. B. persönlich) nicht besteht, sondern in

der Welt untergeht, die Welt also selbst vergöttlicht wird. Aber da

diese Welt nach Naturgesetz bestimmt ist, verflüchtigt sich immer

mehr das Göttliche in ihr und die zwangsläufige Bestimmtheit, die

naturhafte Notwendigkeit bleibt allein als das Entscheidende übrig.

Diesen Anblick bietet z. B. die Lehre B e n e d i c t u s S p i n o z a s ,

nach welcher Gott die absolute Substanz, Geist und Natur nur de-

ren „Attribute“, die Dinge und Geschehnisse nur die „Modi“ dieser

Attribute sind — alles bei zwangsläufiger, „geometrischer“ Be-

stimmtheit

1

.

Reiner Deismus ebenso wie reiner Pantheismus führen, zu Ende

gedacht, zum A t h e i s m u s . /

Unser Ergebnis ist: (1) Jede Gotteslehre, als die „Erfahrung überschreitend“,

steht im Widerspruche mit dem empiristischen Grundgedanken, der vielmehr auf

Positivismus (Agnostizismus) hindrängt; (2) diesen Widerspruch einmal vor-

gegeben, ist nur der Deismus und der Pantheismus mit dem Empirismus verein-

bar. Beide Gottesbegriffe widersprechen nicht u n m i t t e l b a r dem Empiris-

mus mit seinen methodologischen Annahmen der Einheit der Erfahrung sowie der

1

Siehe auch unten S. 311 f.