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zur empiristisch-relativistischen Haltung erblicken. In diesem Punk-
te handelt es sich daher nicht mehr um häusliche Zwistigkeiten
innerhalb empiristischer Richtungen, sondern schon um eine M i -
s c h u n g empiristischer und idealistischer Haltung wie Gedanken.
Bliebe der Skeptizismus dem Ausgangspunkte der Theorie treu,
nämlich das Sinnliche nach seiner Sinnlichkeit zu nehmen, so könnte
er keine solchen Forderungen an das Leben stellen, die nur einer
metaphysischen Haltung entspringen.
Ferner tritt uns im ausgehenden Altertum der S t o i z i s m u s
als Mischsystem entgegen. Er beruht auf einer Vermengung materia-
listischer, empiristischer und idealistischer Grundgedanken. Ja in
strengerem / Sinne sind alle Philosophien des ausgehenden Alter-
tums als Mischsysteme zu bezeichnen, mit Ausnahme der neuplato-
nischen, die in sich einheitlich und geschlossen bleiben.
Der mittelalterliche N o m i n a l i s m u s will im Rahmen idea-
listischer Systemgedanken empiristische Grundbegriffe entwickeln.
Begrifflich erweist er sich als Mischsystem, geschichtlich als Ein-
leitung einer Übergangs- und Verfallszeit.
Der Lehre G i o r d a n o B r u n o s fehlen große Züge nicht,
aber sie weist die schroffsten Gegensätze mystischer und naturali-
stischer Elemente auf. Der Ausdruck dieser Mischung ist, wie stets,
der Pantheismus, ein nicht zu Ende gedachter Gottesbegriff
1
.
Auch das Lehrgebäude von R e n e D e s c a r t e s erweist sich
als Mischung empiristischer und metaphysischer Gedanken ebenso
dasjenige B e n e d i c t u s S p i n o z a s
2
.
D a ß b e i J o h n L o c k e auch die nur bedingte Anerkennung
des Substanzbegriffes
3
einen Widerspruch zum Empirismus bedeu-
tet, wurde öfters bemerkt. Auch sein Beweis vom Dasein Gottes
bedeutet dasselbe.
Der feinsinnige englische Ästhetiker S h a f t e s b u r y (1671
bis 1713) vermengte leider empiristische und platonisch-mystische
Elemente, indem er zum Beispiel die Welt als eine Maschine betrach-
tet, andererseits doch wie Platon eine Weltseele annimmt.
1
Giordano Bruno: De la causa, principio et uno, Venetia 1584, deutsch von
Georg Lasson, 4. Aufl., Leipzig 1923.
2
Uber beide siehe unten S. 304 ff. und 311 f. — Uber G e o r g e B e r k e l e y
siehe unten S. 312 f.
3
Siehe oben S. 44 f.