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letzt materieller Art in sich. Wenn auch dieser Standpunkt nicht im

ontologischen Sinne zum Materialismus wird, also nicht formell zu

einer unsere Erfahrung überschreitenden Bestimmung des Seins, das

den Empfindungen und Vorstellungen zugrunde läge, weitergeführt

wird, so bedeutet doch die Einordnung des Geistes in den Naturzu-

sammenhang und seine damit gegebene Auffassung nach Art der

stofflichen Erscheinungswelt eine stetige, verdeckte innere Krise des

Empirismus, die innerlich immer wieder zum Materialismus hin-

drängt.

6.

In der N a t u r a l i s i e r u n g d e s G e i s t e s w i r d

d e r M e n s c h i m m e r m e h r z u m T i e r g e m a c h t ,

u n d i n d i e s e r T i e r h e i t a u f f a s s u n g l i e g t

d i e W u r z e l d e r A b s t a m m u n g s l e h r e .

Dieser Satz wird vielleicht Widerspruch finden. Er ist aber sowohl

logisch begründet wie auch geistesgeschichtlich offenbar. Die Ent-

wicklungslehre, der „Evolutionismus“, brauchte nicht erst auf D a r -

w i n zu warten, sie erfüllt das gesamte Aufklärungszeitalter. Sie

entspricht auch den in allen bisherigen Punkten (1—4) angeführten

Grundsätzen, welche alle insgesamt die Entstehung der Erkenntnis

und des gesamten menschlichen Geisteslebens von u n t e n h i n -

a u f erklären — nämlich von den sensuellen einzelnen Eindrücken

hinauf zu Erinnerungen, Vorstellungen und Begriffen, alles als

Naturvorgang aufgefaßt. Der mechanische Entwicklungsgedanke ist

nichts anderes als die Ausdehnung der atomistischen Erklärung der

stofflichen Welt auf den gesamten Menschen (denn alle Atomistik

geht von unten hinauf). Der Idealismus dagegen erklärt von oben

hinab, wie später zu zeigen sein wird.

7.

In der N a t u r a l i s i e r u n g d e s m e n s c h l i c h e n

I c h l i e g t e i n e S e 1 b s t v e r n i c h t u n g d e s I c h —

eine ungewollte, aber zuletzt unvermeidliche Verneinung des Aus-

gangspunktes jedes Empirismus. Hier haben wir den grundsätzli-

chen inneren Widerspruch, die eigentlichste Paradoxie des Empiris-

mus vor uns. Der Empirismus legt alles auf den Einzelnen an, be-

ginnt mit dem menschlichen Subjekt, vernichtet aber durch / dessen

Naturalisierung seine Selbständigkeit, sein Wesen und seine Würde.

Indem der Empirismus, so kann man es auch kurz ausdrücken, den