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rungsurteil ist nach Kant der Satz „alle Körper sind ausgedehnt“, / weil die

Eigenschaft „ausgedehnt“ schon im Begriffe des Körpers mit enthalten ist. Anders

die Frage, ob allgemeingültige und notwendige Urteile ohne äußere Erfahrung

möglich sind, welche unsere Erkenntnis e r w e i t e r n . Wenn ich, sagt Kant,

apriori (ohne Erfahrung) aus dem Begriffe A hinausgehen und einen anderen B

als damit verbunden erkennen soll, was ist es, was die Verbindung oder Synthese

ermöglicht? Wie kann ich meine Erkenntnis erweitern, ohne mich im Felde der

Erfahrung umzusehen

1

? Als B e i s p i e l e

s y n t h e t i s c h e r

U r t e i l e

a p r i o r i führt Kant an: das arithmetische Urteil 7 + 5 = 12; die gerade

Linie ist zwischen zwei Punkten der kürzeste Weg, das Quantum der Materie ist

unveränderlich; alles was geschieht, hat eine Ursache. — Wieso kommt All-

gemeinheit und Notwendigkeit diesen Urteilen zu? Aus der Erfahrung kann sie

nicht stammen, denn nichts Empirisches ist notwendig und allgemein; also kann

sie nur daher stammen, daß Anschauung und Denken mit ihren eigenen Kate-

gorien arbeiten. Die Kategorien sind ja nicht nachträglich aus der Anschauung ge-

wonnen, sondern vor ihr da, sind daher Begriffsweisen, w e l c h e d e n S t o f f

d e r s i n n l i c h e n A n s c h a u u n g e r s t z u m G e d a n k e n e r h e -

b e n ! Erst mit seinen eigenen Kategorien kann der Verstand den Begriff der

Ursache, o b z w a r i n k e i n e r E r f a h r u n g e n t h a l t e n , erkennen; erst

mit seinen eigenen Kategorien die Einheit, das heißt den notwendigen Zusam-

menhang des Vielen, hersteilen. „Ursache“ und „Einheit“ sind nicht a n a l y -

t i s c h gewonnen, da in keiner einzelnen Erfahrung gegeben, sondern s y n -

t h e t i s c h gewonnen! Der Grund der Synthesis liegt aber im Verstande, in

seinen Kategorien.

β.

Die Kategorientafel

Die Kategorien sind synthetische Denkformen der gegebenen Inhalte und in

diesem Sinne selbst Begriffe, formende Begriffe. Daher sagt Kant: Soviele Urteils-

formen, das heißt Verbindungsformen von Begriffen, soviele Kategorien, und

leitete die Kategorien von den Urteilsformen ab. Daraus ergab sich ihm folgende

Tafel:

T a f e l d e r U r t e i l e

1.

Q u a n t i t ä t

a.

Allgemeine [Beispiel: alle S sind P,

alle Menschen sind sterblich]

b.

Besondere oder partikuläre [einige

S sind P]

c.

Einzelne oder individuelle [ein S ist

P, Bismarck ist ein großer Mann]

2.

Q u a l i t ä t

a.

Bejahende [S ist P]

b.

Verneinende [S ist nicht P]

c.

Beschränkende oder limitierende [S

ist ein Nicht-P, der Mensch ist ein

Nichtsterblicher]

1

Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, nach der 1. und 2. Original-

ausgabe neu herausgegeben von Raymund Schmidt, Leipzig 1926, S. 13 (= Philo-

sophische Bibliothek, Bd 37 d).

T a f e l d e r K a t e g o r i e n

1.

Q u a n t i t ä t

a.

Einheit

b.

Vielheit

c.

Allheit

2.

Q u a l i t ä t

a.

Realität

b.

Negation

c.

Limitation

/