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sätzliche Unabhängigkeit der Kunst von äußeren Zwecken ist damit von Kant
ausgesprochen worden, eine Tat von großer geschichtlicher Tragweite
1
, der
S c h i l l e r u n d G o e t h e Beifall zollten.
Die Beurteilung Kantens siehe unten Seite 100 ff.
D.
E i n i g e F e h l - u n d M i s c h s y s t e m e
d e s A p r i o r i s m u s
Auch der Apriorismus hat seine Fehl- und Mischformen, indem
teils die Erlebnisgrundlage nicht festgehalten, teils der Begriffsauf-
bau in sich nicht widerspruchsfrei durchgeführt wird. Mischungen
em- / piristischer und aprioristischer Gedanken finden sich schon
in den nachplatonischen und nacharistotelischen Schulen, ebenso bei
den Nominalisten. Im Folgenden begnügen wir uns mit Hinweisen
auf nachkantische Lehren.
1. J a k o b F r i e d r i c h F r i e s (1773—1843)
Für Fries sind zwar die Kategorien transzendental, a priori; aber
sie zu erkennen, soll angeblich wieder empirisch ,,a posteriori“ sein.
Damit lenkt Fries ins Psychologisch-Empirische und Physiologische
zurück — eine naturwissenschaftliche Mißdeutung des Apriori.
Denn wenn die Kategorien bloß Erfahrungsgegenstände wären, Ge-
genstände empirischer „Anthropologie“, so könnten sie weder all-
gemein noch notwendig sein. Dann bliebe aber von der Kritik Kan-
tens nichts mehr übrig als das „Selbstvertrauen“ der menschlichen
Vernunft. Nicht mit Unrecht hat Hegel Friesen einen „Heerführer
der Seichtigkeit“ genannt
2
.
Mit Fries teilt E d u a r d B e n e k e (1798—1854) den Stand-
punkt, Erfahrungsseelenlehre bilde die Grundlage aller Erkenntnis
(Psychologismus).
1
Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft (1788), Sämtliche Werke, Teil 4,
Leipzig 1838, S. 114 ff. und 252.
2
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Rechtsphilosophie, Vorrede, in: Hegels
Schriften zur Gesellschaftsphilosophie, herausgegeben von Alfred Baeumler, Teil 1:
Die Philosophie des Geistes und die Rechtsphilosophie, Jena 1927 (= Die Herd-
flamme, Bd 11).