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C o h e n , P a u l N a t o r p ) und der sogenannten Heidelberger

Richtung ( W i l h e l m W i n d e l b a n d , H e i n r i c h R i k -

k e r t). Sie gibt nicht den echten Kant wieder, schon weil sie den

Begriff des „Dinges an sich“, den Kant als unentbehrlichen Bestand-

teil seines Lehrgebäudes entwickelte, fallen ließ und ihn nur als

„Grenzbegriff“ erklärte (Ende des 19. Jahrhunderts).

Fällt aber die Lehre von einem Ansich der Dinge, so wird unseres Erachtens

damit der Kritizismus (1) zum reinen S o l i p s i s m u s (trotz aller sophisti-

schen Gegenbeteuerungen); (2) wird er dem S u b j e k t i v i s m u s ausgelie-

fert. Denn das subjektive Apriori hat nunmehr kein Gegengewicht an einem vor

und über dem Einzelnen stehenden an sich Seienden, das schließlich auch das All-

gemeine und das Über-Dir, daher für alle ein Richtmaß ist; (3) lenkte der Neu-

kantianismus wieder zum E m p i r i s m u s insoferne zurück, als er das Wesent-

liche des Kritizismus fälschlich in dessen Gegensatze zur Metaphysik sah, statt im

Gegensatze zum Empirismus; und als er ferner von allen Kategorien der Kan-

tischen Tafel eigentlich nur die Ursächlichkeit bestehen ließ. Damit wurden alle

theoretischen Geisteswissenschaften wieder der Naturwissenschaft ausgeliefert.

M e t h o d o l o g i s c h hat jedoch der Neukantianismus insoferne Verdienste,

als er dem Begriffe der Ursächlichkeit den Begriff der „G e l t u n g “ (nämlich von

Wahrheiten) und damit auch: den „W e r t“, die „N o r m“, das „ S o l l e n“ klar

gegenüberstellte. Für die V e r f a h r e n l e h r e l a g i m B e g r i f f e d e s

G e l t e n s z w e i f e l l o s e i n F o r t s c h r i t t . Im Wissenschaftsbetriebe

und in der Philosophie jedoch bedeutete die neukantische Alleinherrschaft der

Ursächlichkeit als Kategorie für die Geisteswissenschaften, zum Beispiel die Ge-

sellschaftslehre und Volkswirtschaftslehre, einen schlimmen Rückfall in den Em-

pirismus.

Jener beste und einzig fruchtbare Gedanke der Neukantianer, die Geltung, geht

auf H e r m a n n L o t z e zurück. Lotze trennte durch den Begriff des „Geltens“

logischer Sätze die Logik von der Psychologie. Nach seinem „teleologischen Idea-

lismus“ ist der Mechanismus der Natur und der Organismen nur ein Mittel zur

Verwirklichung der „Werte“. Lotzes richtige, ihrerseits wieder auf Fichte und

Schelling fußende Lehre, daß die „Welt der Werte“ — das heißt aber für ihn der

Inhalt der Ideenwelt — zugleich der Schlüssel für das S e i n s o l l e n d e im

Handeln und für die F o r m e n in der Natur sei, wurde von der Neukantischen

Schule ihres ontologischen Sinnes beraubt, rein methodologisch genommen und

dadurch formalisiert. Namentlich die sogenannte Marburger Richtung hat den /

Begriff der Geltung durch die Behauptung eines angeblich absoluten „Gegensatzes

von Sein und Sollen“, von „Wirklichkeit und Wert“ schließlich zu einer unfrucht-

baren Sophistik verkehrt.

Als Vorläufer gilt: O t t o L i e b m a n n , Kant und die Epigonen, Stutt-

gart 1863.