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dem bloßen „Komplex“ von Eigenschaften, wie ferner Ursächlich-

keit aus bloßer Abfolge je „abstrahiert“ werden, da es doch keinen

Sinneseindruck von ihnen gibt. Sahen doch gerade die Empiristen

ihre Hauptaufgabe darin, nachzuweisen, daß die Sinneserfah- / rung

nur ein Nebeneinander und Nacheinander enthalte, aber nichts von

Substantialität und ursächlicher Verbundenheit! — Umgekehrt ist

vielmehr zu bedenken: (b) daß die sinnliche Anschauung selber

schon auf einem Apriori beruhe! Die sinnliche Anschauung kann

ohne Denkform, ohne logische Leistung nicht zustande kommen!

Die Anschauung „Kugel“ z. B. kann ohne die Eigentätigkeit unse-

res Geistes, das heißt ohne Konstruktion nicht zustande kommen.

Nicht nur wenn wir eine Kugel auf das Papier zeichnen oder im

Geiste denken, konstruieren wir; auch wenn wir die Kugelgestalt

aus dem Anblicke von runden Steinen, des Himmelsgewölbes und

dergleichen „abstrahieren“, auch dann haben wir diese Kugelgestalt

jedesmal schon durch Eigentätigkeit konstruiert. Denn auch beim

Anblick des runden Steines sind wir selbst es, die über das Unebene

und Krumme hinweg das Runde in uns z e i c h n e n , beim Him-

melsgewölbe, welches dem reinen Inhalte der Sehreize nach nur ein

großes Loch sein könnte, konstruieren ebenfalls wir selber in der

Anschauung das Runde. Sogar wenn wir also — wie die Empiristen

sagen — aus den unregelmäßigen, in der Erfahrung Vorgefundenen

Kugelgestalten rundlicher Steine die reine Kugelgestalt „abstrahie-

ren“ würden, so würden wir damit nur das D e n k e n in seiner

Reinheit herstellen, würden wir nur unsere eigene K o n s t r u k -

t i o n s t a t in ihrer Reinheit durch Denken läutern. Damit ist

aber unsere konstruktive Tätigkeit logisch vor der empirischen

Anschauung, das heißt sie ist a priori: Die Eigentätigkeit des An-

schauens und des Verstandes ist stets Vorbedingung der gesamten

Erfahrung, der sinnlichen wie der nichtsinnlichen!

2. B e u r t e i l u n g d e r H a u p t l e h r b e g r i f f e

K a n t e n s

a. Die Kategorienlehre

Die Hauptfrage bei Kant gilt der Kategorienlehre und dem ihr

zugrunde liegenden Begriffe des Apriori.

Um die Kantische Kategorienlehre richtig zu beurteilen, muß