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zugleich Entgegensetzung ist. Aber die Antwort, die Fichte selbst gab, läßt sich bei
näherer Überlegung unschwer verstehen.
Da die jedesmalige Setzungstätigkeit des Ich eine endliche, bestimmte Setzung
ist, so wird dadurch Bestimmtes, also U n t e r s c h i e d e n e s g e s e t z t . In der
Unterscheidung liegt aber schon ein Gegensatz zum Ich und ebenso eine Be-
schränkung. Das sich Setzende b e s c h r ä n k t sich durch das, was als ein so
und so Bestimmtes ist, sich also schon durch sein Sein dem Ich entgegensetzt; das
Ich beschränkt sich daher durch seine eigene Setzung (Handlung, Tat, Aktion).
Ebenso umgekehrt: Indem es sich durch seine Setzung beschränkt oder, wie man
auch sagen kann, s i c h v o n s e i n e r S e t z u n g v e r h ä l t n i s m ä ß i g g e -
t r e n n t f ü h l t , hat es jedesmal ein verhältnismäßig Nicht-es-selbst-Seiendes
in sich, ein v e r h ä l t n i s m ä ß i g e s N i c h t - I c h . — Ein nur verhältnismäßi-
ges Nicht-Ich ist es deswegen, weil es „im I c h“ gesetzt wird, vom und im Ich
empfunden wird; und das wieder deswegen, weil es ja die eigene Setzung des
Ich sein muß. Es kann nichts s c h l e c h t h i n Anderes, Äußeres, Fremdes sein.
Die Untrennbarkeit des Nichtich vom Ich ist es, die darin beschlossen liegt.
Das e r k e n n t n i s t h e o r e t i s c h Wesentliche des Nichtich (das heißt
der Entgegensetzung), auf das wir später wiederholt stoßen werden, liegt unseres
Erachtens darin, daß die Selbstsetzung, soferne sie ja zugleich Selbstbestimmung,
Selbstbesonderung ist, jene v e r n e i n e n d e Seite in sich hat, die für Fichte
überall das Objektive, Gegenständliche bezeichnet. Das mögen folgende zwei
Begriffs- / reihen klar machen, die das Nichtich einmal als E n t g e g e n s e t -
z u n g , das andere Mal als S e l b s t b e s o n d e r u n g (Konkretisierung) er-
klären:
1.
Setzen = Übergang von der Unbestimmtheit des Setzens schlechthin zur
Bestimmtheit = Bestimmtes setzen = das Unbestimmte und alles andere Be-
stimmte verneinen; Verneinung (Negation) = Gegensatz, Entgegensetzung =
Nichtich, Gegenstand.
2.
Setzen = Bestimmtes setzen; Selbstbestimmen = Selbstbesonderung (Selbst-
konkretisierung) des Ich = Vergegenständlichung = Nichtich.
Dunkel wird der Begriff des Nichtichs erst dort, wo es sich um die s i n n l i -
c h e Empfindung handelt (siehe unten „Synthese E“).
2. Die w e i t e r e n S e t z u n g s s c h r i t t e
(Innerer Aufbau des Selbstbewußtseins)
Der „dritte Grundsatz“ — „das Ich setzt sich im Ich das Nichtich
entgegen“ — ist eine Synthesis zwischen dem setzenden Ich (erster
Grundsatz) und dem entgegensetzenden Ich (zweiter Grundsatz), das
heißt den Gegensätzen: Ich und Nichtich
1
. Aus diesem Grundsatze,
später von Fichte als „erster Lehrsatz“ oder „ S y n t h e s e A“ be-
zeichnet, zieht Fichte die Folgerungen: (a) Das Ich setzt das Nicht-
ich, als beschränkt durch das Ich; (b) das Ich setzt sich selbst als be-
1
Johann Gottlieb Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, Leip-
zig 1921, S. 110 (= Werke, Ausgabe Medicus, Bd 1 = Philosophische Biblio-
thek, Bd 127).
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