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schränkt durch das Nichtich
1
. Diese „Synthese A“ geschieht ver-
mittels des erwähnten Begriffes der „Teilbarkeit“. Aus ihr folgen
alle weiteren Lehrsätze oder „Synthesen“, welche Fichte als „Syn-
thesen B, C, D“ bezeichnet.
Hierdurch ergeben sich folgende, auch bei Kant vorkommende Kategorien:
„Synthese A“ ist die Vereinigung von Ich und Nichtich, „Synthese B“ die „Wech-
selbestimmung“ beider, „Synthese C“ die „Kausalität“ des Nichtich. „Synthese D“
die „Substantialität“ des Ich.
Es folgt die „Synthese E“, der dunkelste Teil der „Wissenschaftslehre“
2
, wo-
nach eine „unabhängige Tätigkeit“, eine „ b e w u ß t l o s e P r o d u k t i o n o d e r
E i n b i l d u n g “ ; den „Grund und Kern“ des Ich und seiner Setzungen, des
Nichtich, bilden. Die unabhängige Tätigkeit oder Einbildung müsse deswegen an-
genommen werden, weil sich Setzen und Entgegensetzen nur teilweise nicht völlig
aufheben
3
, sie also dem Ich ebenso wie dessen Entäußerung, dem Nichtich, zu-
grunde liege. „Es wird demnach hier gelehrt, daß a l l e R e a l i t ä t . . . b l o ß
d u r c h d i e E i n b i l d u n g s k r a f t h e r v o r g e b r a c h t w e r d e.“
4
Die Synthesen im Einzelnen hier zu verfolgen geht nicht an. Fichten ist vor
allem wesentlich: daß Ich und Nichtich, weil sie sich infolge der „Teilbarkeit“
nicht aufheben, in eine „Wechselbestimmung“ zueinander treten („Synthese B“).
Denn im Fortgange der Wechselbestimmungen wird der ganze i n n e r e
A u f - / b a u d e s B e w u ß t s e i n s abgeleitet
5
. Fichtes Ableitung beginnt
—
wie später Hegels „Phänomenologie“ — mit der E m p f i n d u n g und schrei-
tet zu R a u m u n d Z e i t fort. Es folgt der V e r s t a n d mit den (schon
vorher abgeleiteten) Kategorien
6
; ferner die r e f l e k t i e r e n d e u n d a b -
s t r a h i e r e n d e U r t e i l s k r a f t und endlich — indem diese abermals selbst
zum Gegenstande gemacht wird, das Ich also über sich als ein Setzendes reflektiert
—
das Bewußtsein des Abstrahierenkönnens überhaupt oder die r e i n e V e r -
n u n f t , das ist das eigentliche S e l b s t b e w u ß t s e i n .
Was diese Lehre zeigen will, ist, „daß das letzte und höchste Re-
sultat des Bewußtseins... nichts anderes sei, als das klare und voll-
1
Johann Gottlieb Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, S. 125 f.
— Siehe unten S. 132 ff.
2
Johann Gottlieb Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, § 4,
S. 151 ff.
3
Siehe oben S. 105 f.
4
Johann Gottlieb Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, II,
§ 4, S. 227, Nr. 13. — Siehe oben S. 105
.
5
Johann Gottlieb Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, Leip-
zig 1921, S. 227 ff. (= Werke, Ausgabe Medicus, Bd 1 = Philosophische Biblio-
thek, Bd 127). — Dazu der „Grundriß des Eigentümlichen der Wissenschaftslehre“,
Werke, Bd 1, S. 331—416, sowie die beiden „Einleitungen in die Wissenschafts-
lehre“, Leipzig 1922 (= Werke, Bd 3 = Philosophische Bibliothek, Bd 129) und
andere.
0
Siehe unten S. 136 ff.