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die Kategorien nunmehr nicht, wie bei Kant, durch einen äußer-
lichen Grundsatz zusammengestellt, sondern ein Ganzes, ein System
bilden und als solches abgeleitet werden. Ferner werden sie alle ge-
meinsam und gleichzeitig miteinander erzeugt. Sie sind die W e i -
s e n d e r S e l b s t s e t z u n g d e s I c h . Dadurch erlangt
Fichte eine grundsätzliche Überlegenheit über Kant, sogar wenn
(was tatsächlich zutrifft) seine eigenen Kategorientafel ebenfalls
nicht einwandfrei abgeleitet ist.
4 .
Das D i n g a n s i c h . D e r A n s t o ß .
D e r N a t u r b e g r i f f
Das Ding an sich ist für Fichte nicht außerhalb des Ich gesetzt,
das Ich „affizierend“, wie Kant sagte. Es kann nur im Setzen des
Ich selber liegen. Das Ich s e l b s t i s t d a s A n s i c h , das
Absolute — freilich nicht als das empirische Ich, sondern als das dem
empirischen zugrunde liegende. Wesentlich ist für Fichte, „daß ein
absolutes Ich als schlechthin unbedingt und durch nichts Höheres
bestimmbar aufgestellt werde“
1
, weil es sich nämlich in allen Be-
sonderungen durch Selbstsetzung bestimmt. Da nicht wie bei Kant
ein äußeres Ding an sich das denkende Ich „affiziert“, findet auch
kein Gegensatz von Ding an sich und Erscheinungswelt statt. Das
A n s i c h d e r D i n g e i s t t i e f s t e r G r u n d d e s I c h .
Es wird aber in der „Wissenschaftslehre“ nicht theoretisch abgelei-
tet; es gehört, wie bei Kant, nicht dem theoretischen Ich an, son-
dern dem praktischen
2
. In dieser Hinsicht heißt Fichten das Ding
an sich „Anstoß“.
Das Nichtich in seiner Eigenschaft als Entgegensetzung, Hemmung, Begren-
zung gehört der praktischen, sittlichen Seite des Ich an.
Über diese Hemmung oder den „Anstoß“ sagt Fichte: Das außer dem Ich an-
genommene Objektive oder Ding an sich „braucht gar nicht vorhanden zu sein;
es darf nur bloß, daß ich mich so ausdrücke, ein A n s t o ß f ü r d a s I c h
vorhanden sein, das heißt das Subjektive muß, aus irgendeinem nur außer der
Tätigkeit des Ich liegenden Grunde nicht weiter ausgedehnt werden können“.
Dieser Grund liegt auf dem Gebiete des Praktischen, des Sollens, des Sittlichen.
1
Johann Gottlieb Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, Leip-
zig 1921, S. 119 (= Werke, Ausgabe Medicus, Bd 1 = Philosophische Bibliothek,
Bd 127).
2
Siehe oben S. 107 f., Zusatz und S. 125.