Table of Contents Table of Contents
Previous Page  5817 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 5817 / 9133 Next Page
Page Background

[119/120]

133

Er „begrenzte nicht, als tätig, das Ich; aber er gäbe ihm die Aufgabe, sich selbst

zu begrenzen“, das heißt diese Aufgabe ist es eben, die auf dem praktischen

Felde liegt. „Diese Erklärungsart ist“, sagt Fichte, „wie in die Augen fällt, reali-

stisch; nur liegt ihr ein weit abstrakterer Realismus zum Grunde, als alle die

vorher aufgestellten: nämlich es w i r d i n i h m n i c h t e i n a u ß e r d e m

I c h v o r h a n d e n e s N i c h t i c h . . . , sondern eine bloße A u f g a b e für

eine durch dasselbe (das Ich) selbst in sich vorzunehmende Bestimmung... ange-

nommen.“ „Wenn es erlaubt ist, einige Blicke vorwärts zu tun“, fügt Fichte hinzu,

„so läßt sich der Unterschied (zum naiven Realismus) noch bestimmter / angeben.

Nämlich im praktischen Teile wird sich zeigen, daß die Bestimmbarkeit (des Ich

durch jene Aufgabe) ... ein G e f ü h l ist. Nun ist ein Gefühl allerdings eine

Bestimmung des Ich; aber nicht des Ich als Intelligenz, das ist desjenigen Ich,

welches sich setzt als bestimmt durch das Nichtich“, sondern desjenigen Ich, wel-

ches sich setzt als bestimmend das Nichtich = als Handelndes, als praktisch

1

. —

Am Ende des 3. Teiles sagt dann Fichte, daß sowohl die Realität der Außendinge

wie die Realität des Ich g e f ü h l t werde. „Hier liegt der Grund aller Realität...

Etwas, das lediglich durch die Beziehung eines Gefühls möglich wird...

wird geglaubt.. . An Realität überhaupt, sowohl die des Ich als des Nichtich,

findet lediglich ein G l a u b e statt.“

2

Dieser Glaube ist es, von dem Fichte in

der „Bestimmung des Menschen“ redet — Glaube an das Übersinnliche an Gott,

das „ B a n d d e r G e i s t e r“, die „Synthesis der Geisterwelt.“

Mit dem „Nichtich“ und dem „Anstoß“ ist für Fichte auch der

Begriff der N a t u r gegeben. Die Natur, die Sinnenwelt, ist ihm

nicht tot, sondern überall L e b e n (wie das Ich); aber im besonde-

ren ist sie nur S t o f f d e r P f l i c h t e r f ü l l u n g , nur der

Widerstand, an dem sich das sich setzende Ich entfalten kann. Sie

ist aus ihrem t e l e o l o g i s c h - s i t t l i c h e n V e r h ä l t -

n i s s e z u m M e n s c h e n z u b e g r e i f e n . A l l e s

s o l l a u f d a s s i t t l i c h e L e b e n z u r ü c k g e f ü h -

r t w e r d e n . Hier zeigt sich Fichtes Philosophie wieder als durchaus

ethische Weltansicht. Fichte bringt die Natur im 3. Buche der „Be-

stimmung des Menschen“ in engen Zusammenhang mit der trans-

zendentalen Gemeinschaft der Geister, der „Synthesis der Geister-

welt“

3

. Die Sinnenwelt ist auf einen unendlichen Willen (in dem

auch die intelligible Gemeinschaft der Geister beschlossen ist) zu-

1

Johann Gottlieb Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, Leip-

zig 1921, S. 210 f. (= Werke, Ausgabe Mecicus, Bd 1 = Philosophische Biblio-

thek, Bd 127) •- Alle Bemerkungen in Klammern und die Hervorhebung stammen

von mir.

2

Johann Gottlieb Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, S. 301.

3

„Es fehlt der Wissenschaftslehre an Vollendung“, schreibt Fichte in einem

Briefe an Schelling vom 31. Mai 1801 (Johann Gottlieb Fichtes Leben und littera-

rischer Briefwechsel, herausgegeben von Immanuel Hermann Fichte, Bd 2, 2. Aufl.