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135

Das letzte Wort ist, daß „in uns sich etwas findet, das nur durch etwas

a u ß e r u n s sich vollständig erklären läßt“

1

.

Damit erklärt Fichte, das ist unverkennbar, die W u r z e l d e s I c h u n d

d e s A n s i c h d e r D i n g e a l s e i n e r l e i u n d s p r i c h t d e n G e -

d a n k e n d e r s p ä t e r e n S c h e l l i n g i s c h e n N a t u r p h i l o s o p h i e

a u s .

Insofern Fichtes Begriff der Natur und sein Begriff des „Anstoßes“ zum Glau-

ben führt; der Glaube aber zum mystischen Grunde der Welt ebenso wie des

Ich hinweist, kann man Fichtes Lehre nicht als „subjektiven Idealismus“ kenn-

zeichnen (wie Schelling und andere seiner Gegner es taten). Indessen ist zuzuge-

stehen, daß in der ersten Gestalt und Ausführung der „Wissenschaftslehre“,

Subjektivität in ähnlichem Sinne beschlossen lag wie bei Kant. Die volle Wendung

zum ontologischen Idealismus im Aufbau der Lehrbegriffe mußte erst noch voll-

zogen werden.

5 .

S e i n s l e h r e

Eine eigene Seinslehre findet sich in Fichtes Philosophie, die „Wissenschafts-

lehre“ war, formell nicht, doch führte ihn seine Fragestellung notwendig zum

Begriffe des Seins. Dieses war ihm Tätigkeit.

Schon in der „Ersten Einleitung in die Wissenschaftslehre“, 1797, heißt es:

„Der Idealismus erklärt die Bestimmungen des Bewußtseins aus dem H a n d e l n

der Intelligenz. Diese ist ihm nur t ä t i g und absolut, nicht leidend [da näm-

lich leidend etwas nur, soferne es sich selbst in einer Tätigkeit als bestimmt setzt;

also wieder nur durch eine Tätigkeit ist] ... Es kommt aus dem / gleichen

Grunde ihr auch kein eigenes Sein, kein Bestehen, zu, weil dies das Resultat einer

Wechselwirkung ist, und nichts da ist, noch angenommen wird, womit die In-

telligenz in Wechselwirkung gesetzt werden könnte... Nun sollen aus dem Han-

deln dieser Intelligenz abgeleitet werden b e s t i m m t e Vorstellungen; die

von einer Welt, einer ohne unser Zutun vorhandenen, materiellen, im R a u m e

befindlichen Welt... [Daher muß jenes] Handeln der Intelligenz ein bestimm-

tes Handeln sein und zwar... ein durch sie selbst und ihr Wesen, nicht durch

etwas außer ihr bestimmtes Handeln... [Diese bestimmte Weise des Handelns

begründet] notwendige Gesetze der Intelligenz. Hiedurch ist dann auch zugleich

das Gefühl der Notwendigkeit, welches die bestimmten Vorstellungen begleitet,

begreiflich gemacht: Die Intelligenz fühlt dann nicht etwa einen Eindruck von

außen, sondern sie fühlt in jenem Handeln [Denken] die Schranken ihres eige-

nen Wesens.“

2

Die „Wissenschaftslehre“ löst, wie ersichtlich, alles Sein auf und

macht es flüssig. Zu diesem Ergebnisse muß sie deswegen kommen, weil ihr alles

Sein im Rahmen der Selbstsetzung liegt, daher Tätigkeit, daher — G e i s t ist.

6 .

D a s d i a l e k t i s c h e V e r f a h r e n

Der Gedanke der Setzung (Ich), Entgegensetzung (Nichtich) und

der Vereinigung der Gegensätze hat Fichte sowohl in der Katego-

rienlehre (Realität — Negation — Einschränkung) wie in der

späteren Analyse des Bewußtseins geleitet. Die ersten drei Setzungs-

1

Johann Gottlieb Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, S. 286.

2

Johann Gottlieb Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, S. 440.