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dete die Stellung des geistigen Führers, des „Gelehrten“, auf die

Schau der Idee.

9 . U n s t e r b l i c h k e i t

Die Selbstsetzung lehrt, daß das Ansich, also das Noumenon, selber die Wurzel

unseres Geistes sei; daher auch keine bloße Erscheinungswelt, Phainómenon,

uns gegenüberstehe. Die Wurzel unseres Geistes ist übersinnlich, daher unvergäng-

lich. Fichte hebt dabei die Bedeutung der sittlichen Erhebung des Geistes hervor.

„Ich bin unsterblich ... seit ich den Entschluß faßte, dem Vernunftgesetze zu ge-

horchen, ich soll es nicht erst werden. Die übersinnliche Welt ist keine zukünftige

Welt, sie ist gegenwärtig. . .“

1

, sie ist inwendig in uns. „Das Wesen des Ich ist

selbst das ewige Leben.“

2

— „Es drängt sich öfters ... aus der Brust eines je-

den . .. Menschen der Seufzer: Unmöglich kann ein solches Leben meine wahre

Bestimmung sein; es muß, o es muß noch einen ganz anderen Zustand für mich

geben.“

3

Hier zeigte sich Fichte von Anbeginn als Metaphysiker.

1 0 .

D i e S p ä t l e h r e

Fichtes spätere Lehre ist hauptsächlich eine Fortentwicklung der metaphysisch-

mystischen Elemente, welche in seinem System von Anbeginn da waren, kein

Bruch, wie man ihr fälschlich nachsagte. Am größten ist der Unterschied noch in

der Gesellschaftslehre, doch stand auch hier schon, wie soeben gezeigt, ein echter

Begriff der Gemeinschaft am Anfänge

4

. In die „Wissenschaftslehre“ allerdings

wurde ein Begriff echter Gemeinschaft oder Gezweiung niemals e i n g e f ü h r t .

Wäre das geschehen, dann hätte die Gezweiung als B e d i n g u n g der Selbst-

setzung entwickelt werden müssen, das Ich wäre g l i e d h a f t gefaßt worden,

wodurch der Systemgedanke berührt worden wäre. Im „Naturrecht“ (1796) wurde

der Gemeinschaftsbegriff zwar eingeführt, aber nicht durchgeführt. — Auch in der

Sittenlehre ist der Unterschied nicht grundsätzlich. Blickt man auf die anderen

Grundbegriffe, so zeigt sich noch deutlicher die Einheit der Lehre. Es war nichts

anderes als das Metaphysische, Absolute, das ebensosehr als Voraussetzung der

Wissen- / schaftslehre von Anfang an unentbehrlich war und sich später immer

mächtiger als ihr notwendig gefordertes Ergebnis zeigt. Schon in der „Bestimmung

des Menschen“ (1800) heißt es: „Alles unser Leben ist sein Leben, unser pflicht-

gemäßer Wille sein Wille. Gott ist der unendliche Wille, wir der endliche. G o t t

i s t d e r t i e f s t e G r u n d d e r m o r a l i s c h e n O r d n u n g , d e r

1

Johann Gottlieb Fichte: Die Bestimmung des Menschen (1800), Leipzig

1922, S. 389 (= Werke, Ausgabe Medicus, Bd 3 = Philosophische Bibliothek,

Bd 129).

2

Johann Gottlieb Fichte: Die Wissenschaftslehre, vorgetragen im Jahre 1804,

Leipzig 1922, S. 158 (= Werke, Ausgabe Medicus, Bd 4 = Philosophische Biblio-

thek, Bd 130).

3

Johann Gottlieb Fichte: Appellation an das Publikum (1799), Leipzig 1922,

S. 203 f. (= Werke, Ausgabe Medicus, Bd 3 = Philosophische Bibliothek, Bd 129).

4

Siehe Anmerkung 1 dieser Seite; ferner meine Bücher: Gesellschaftslehre,

4., durchgesehene Auf!., Graz 1969, S. 261 f. (= Gesamtausgabe Othmar Spann,

Bd 4); Die Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre auf lehrgeschichtlicher

Grundlage, 28., neuerdings durchgesehene Aufl., Graz 1969, S. 131 f. und 169

(= Gesamtausgabe Othmar Spann, Bd 2).