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und gebiert sich wieder in sich.“

1

— Und in der altindischen C h a n d o g y a -

U p a n i s h a d

2

/ heißt es: „Derjenige welcher weiß; Ich will dies denken',

der ist das Selbst.“

3

Auch nach L e i b n i z ist der Geist sich absoluter Selbstgrund. Es kann in das

Bewußtsein nichts von außen mechanisch hineinkommen, sondern alles nur in

eigener Tat und Schöpferkraft erzeugt werden. Leibniz sagt: „Gott h a t . . . die

Seele oder jede andere Einheit so geschaffen..., daß ihr notwendig alles aus

ihrem eigenen Grunde emporquillt, kraft einer vollkommenen S e l b s t t ä t i g -

k e i t , die dennoch in steter E n t s p r e c h u n g zu den Außendingen ver-

bleibt.“

4

Und in der „Theodizee“ heißt es, „daß im Grunde eine wunderbare

S p o n t a n e i t ä t in uns wohne, die in gewissem Sinne die Seele in ihren

Entschlüssen von dem physischen Einfluß aller anderen Kreaturen unabhängig

macht.“

K a n t hatte den Begriff der „Spontaneität“ bereits ausdrücklich als das

„Radikalvermögen“

5

, also als den Mittelpunkt des gesamten Bewußtseinslebens

bezeichnet. Darum nannte er sie die „transzendentale Synthesis der Apperzeption“,

die ihm Voraussetzung für den Gebrauch der Kategorien und diese wieder Vor-

aussetzung für die Auffassung der Sinnesempfindungen war. „Das: ,Ich denke',muß alle

meine Vorstellungen begleiten können; denn sonst würde etwas in mir

vorgestellt werden, was gar nicht gedacht werden könnte, was eben soviel heißt,

als die Vorstellungen würden entweder unmöglich oder wenigstens für mich nichts sein.“

6

Für S c h e l l i n g , H e g e l , B a a d e r war der Selbstsetzungsbegriff Fichtes

selbstverständliche Voraussetzung ihrer Lehre.

Auch ein V e r g l e i c h v o n F i c h t e u n d S o k r a t e s liegt geschicht-

lich nahe. Sokrates ist nicht nur der Kant, sondern auch der Fichte des Altertums

zu nennen. Er gleicht Fichten zunächst in seinem geringen Verhältnis zur Natur

und in seiner vorzüglichen Hinwendung zum Sittlichen. („Da Sokrates über das

Sittliche handelte“, sagt Aristoteles, „und die ganze Natur beiseite ließ, in dem

Sittlichen aber das Allgemeine suchte und das Denken zuerst auf die Begriffs-

bestimmungen hinlenkte. . .“

7

). Sokrates gleicht Fichten aber noch mehr darin,

daß auch er auf das Selbstbewußtsein, auf das reine Denken in seiner selbst, auf

den theoretischen Geist, auf das reine Ich der normalen Logik (der Reflexion)

zurückgeht. Daß er hiebei auch an dem Selbstsetzungsgedanken gerührt habe, be-

1

Meister Eckehart: Paradisus anime intelligentis, herausgegeben von Philipp

Strauch, Berlin 1919, Nr. 22, S. 54, Zeile 24.

2

Chandogya-Upanishad, VIII, 7 ff.

3

Friedrich Max Müller: Theosophie oder psychologische Religion, aus dem

Englischen übersetzt von Moriz Winternitz, Leipzig 1895, S. 253 und 237.

4

Gottfried Wilhelm von Leibniz: Hauptschriften, herausgegeben von Arthur

Buchenau und Ernst Cassirer, Bd 2, Leipzig 1924, S. 267 (= Philosophische

Bibliothek, Bd 108).

5

Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, nach der 1. und 2. Original-

ausgabe neu herausgegeben von Raymund Schmidt, Leipzig 1926, S. 126 (= Philo-

sophische Bibliothek, Bd 37 d).

6

Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, Leipzig 1926, S. 659.

7

Aristoteles: Metaphysik, übersetzt von Eugen Rolfes, 2. Aufl., Leipzig 1920,

987 b (= Philosophische Bibliothek, Bd 2b—3b).