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2. Der B e g r i f f d e r S e l b s t s e t z u n g

Der Begriff der Selbstsetzung, für sich genommen, ist, wie schon

gezeigt, unwiderleglich richtig und ausnahmslos von allen großen

idealistischen Philosophien gelehrt worden

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. Den Geist oder das

Ich als Tat, die in sich selbst ihren Anfang nimmt, zu fassen, war

daher zwar nicht neu, aber sie auch in allen ihren Schritten zu ver-

folgen, das war das Große, was Fichte leistete.

Wäre diese Erkenntnis Gemeingut unserer heutigen Philosophie,

so könnten weder die Plattheiten des Empirismus und Materialis-

mus noch die Sophistereien des Neukantianismus und seiner Vet-

ternschaft ihr Unwesen treiben. Auch könnten in der Seelenlehre

nicht naturwissenschaftliche Gesichtspunkte herrschen, und ebenso-

wenig wäre das in den übrigen Geisteswissenschaften möglich, be-

sonders in der Gesellschaftslehre und Volkswirtschaftslehre. Auch

wäre mit der Selbstsetzung, indem sie den Geist hoch über alle Na-

turursächlichkeit erhebt, jener Begriff von der Würde des Menschen

in unsere Bildung verpflanzt, der überall als der Anfang jeder höhe-

ren Philosophie und Lebensauffassung unentbehrlich ist.

Bei aller Größe des Grundgedankens bedarf indessen die Fichti-

sche / Fassung des Selbstsetzungsbegriffes einer E r g ä n z u n g

u n d B e r i c h t i g u n g . Wir erblicken sie (a) darin, daß die

Selbstsetzung grundsätzlich unter der Bedingung der G e m e i n -

s c h a f t (Gezweiung) stehen müßte; (b) darin, daß die Selbstset-

zung des Subjekts unter der Bedingung eines Ü b e r s u b j e k t i -

v e n , Absoluten stehen müßte (Rückverbundenheit). — Wir wen-

den uns zuerst diesem letzteren Punkte zu.

a. Der erste Mangel der Fichtischen Fassung des Selbstsetzungs-

begriffes liegt darin, daß die Selbstsetzung in der „Wissenschafts-

lehre“ wie ein schlechthin Erstes, Unbedingtes, Absolutes behandelt

wurde. Ich sage nicht, daß sie von vornherein so gemeint war, aber

daß sie im Aufbau der Begriffe f o r m e l l so behandelt wurde.

Das Gegründetsein unseres Geistes auf ein Absolutes, Göttliches

hätte aber schon in der ersten Begriffsentwicklung deutlich zum

Ausdrucke kommen müssen. Nennen wir die Selbstsetzung des Gei-

stes sein Schaffen, so müssen wir behaupten, daß dieses sein Schaffen

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Siehe oben S. 141 ff.

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