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Solange es sich bei der Entgegensetzung um einen Gedanken, ein
Gefühl, kurz eine innere Setzung des Ich handelt, ist die Selbst-
objektivierung völlig klar. Eine Schwierigkeit tritt erst auf, wenn
es sich um solche Setzungen des Ich handelt, welche E m p f i n -
d u n g e n v o n A u ß e n d i n g e n sind. Auch diese sind wohl
Selbstsetzungen, aber nicht mehr in jener unmittelbaren Weise wie
die ersteren, welche rein dem Ich angehören. Die A u f g a b e
F i c h t e s w ä r e g e w e s e n , d i e V o r s t e l l u n g e n d e r
A u ß e n d i n g e i n i h r e r V e r m i t t e l t h e i t z u z e i -
g e n , also das, was man die äußeren Reize nennt, als Vorbedingung
der Selbstsetzung (im sinnlichen Bereiche) und damit auch als das
nicht unmittelbar dem Ich Angehörige nachzuweisen. Dieser Auf-
gabe hat Fichte unleugbar zu wenig Sorgfalt zugewendet, denn die
Ausführungen über die „bewußtlose Produktion“ und die „Selbst-
beschränkung“ oder den „Anstoß“ reichen nicht hin
1
. Die gründ-
liche Verfolgung dieser Aufgabe hätte Fichten aus der Subjektivität
seines Ich- und Selbstsetzungsbegriffes in die Objektivität führen
müssen — auf eine Lösung jener Art, wie sie später Schelling in sei-
ner „Naturphilosophie“ gefunden hatte. — Ein Widerspruch war es
ferner, das Bewußtlose, die Einbildung
2
dem Ich z u g r u n d e
zu legen, das doch seinem Begriffe nach Subjekt-Objekt ist, das heißt
den Akt der Selbstentgegensetzung, also das Selbstbewußtsein, zur
Bedingung hat. Schelling übernahm später diesen Irrtum.
Es ist nicht zu leugnen, daß Fichte das Nichtich nicht überall nur als Selbst-
entgegensetzung des Ich erweisen konnte, vielmehr er es in der Sinnesempfindung
zum Teil doch wieder als v e r k a p p t e s D i n g a n s i c h im Kantischen
Sinne behandelt; erst daher sind die Begriffe „Hemmung“ und „Anstoß“
erklärlich.
Ewig wahr bleibt am fichtischen Gedanken, daß das Nicht-Ich
ohne das Ich nicht gedacht werden, daher auch nicht sein könne; es
muß aber verständlich gemacht werden, daß auch das Ich ohne das
Nichtich weder denkbar noch daseinsfähig sei. Hiermit ist schon die
letzte Frage des Entgegensetzungsbegriffes aufgerollt, die Frage nach
dem Wesen der Natur.
Daß der Begriff der N a t u r als bloßer Schranke des Ich und
Mittel seiner Entfaltung nicht alles erschöpfe, wurde schon betont
1
Siehe oben S. 105
,
127, 132 ff.
2
Siehe oben S. 126 ff.