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an die Seite zu stellen. Ähnlich steht es in der N a t u r p h i l o s o p h i e , welche

der Empirismus überhaupt nicht kennt. Dagegen stellt er ebenfalls eine eigene

V e r f a h r e n l e h r e u n d L o g i k auf.

b. Ehe wir uns nach diesem Überblicke einer Betrachtung der systematischen

Richtungen des Idealismus zuwenden, wäre noch die Frage aufzuwerfen: Sehen die

g e s c h i c h t l i c h e n L e h r g e b ä u d e des Idealismus wirklich so aus, wie

unsere Übersicht es anzeigt? — Formell und äußerlich gesehen, das müssen wir

unterstreichen, finden wir allerdings nur selten eine Gliederung solcher Art;

z. B. zeigt sie keine einzige der platonischen oder aristotelischen Schriften. Wir

behaupten aber, daß innerlich der Begriflsaufbau jeder / idealistischen Philosophie

zu einer Gliederung der angeführten Art grundsätzlich hinstrebe. Äußerlich darf

man das aber auch kaum erwarten. Denn da die geschichtlichen Lehrgebäude mei-

stens im Kampfe gegen Empirismus, Materialismus, Rationalismus entstanden,

oder auch bei ihren Verfassern erst allmählich zur Entwicklung kamen, begannen

sie formell nicht mit ihrem obersten Begriffe, sondern meist mit Gedankengängen

der Widerlegung, aus denen erst die Notwendigkeit, ein Übersinnliches zu setzen,

sich ergeben sollte. So z. B. kämpfte Platon gegen die Sophisten, Fichte und Schel-

ling gegen den Apriorismus. Würde man aber hinterdrein die Begriffe dieser

idealistischen Philosophien systematisch darstellen, so würde man stets am fol-

gerichtigsten den Gottesbegriff als den obersten Begriff an die Spitze stellen, fer-

ner das Verhältnis des überweltlichen Gottes zum Weltgeschehen, die Vermitt-

lung, als die zweite daraus folgende begriffliche Aufgabe behandeln und von da

über Geistes- und Naturphilosophie bis zur Grundlegung der Wissenschaft fort-

schreiten.

Geschichtlich wird übrigens schon von Platon berichtet, daß er die Philosophie

einteilte in: (1) eine allgemeine „Logik“, welche man auch Metaphysik und

Ontologie nennen könnte (bei Aristoteles auch „Erste Philosophie“ genannt);

(2)

eine „Ethik“, die man auch allgemeine Geistesphilosophie nennen könnte;

(3)

eine „Physik“ oder Naturphilosophie. — Ähnliches, wenn auch nicht eindeutig,

sehen wir bei Aristoteles; entsprechend sodann in der platonischen und aristote-

lischen Scholastik. Ziemlich genau die gleiche Einteilung findet sich — ohne daß

eine geschichtliche Anlehnung stattgefunden hätte — bei Schelling und Hegel wie-

der. Wir können also sagen, daß die Grundlinien ein und derselben Haupteintei-

lung auch in der Geschichte der idealistischen Philosophie hervortreten. Welch

ein Beweis für ihre innerste Einheit über alle Verschiedenheiten hinweg!

Aus dem soeben entwickelten Zusammenhange der Lehrbegriffe

des entfalteten Idealismus lassen sich auch seine verschiedenen Mög-

lichkeiten, das heißt R i c h t u n g e n überblicken. Infolge der

vielen Möglichkeiten ist eine gleich einfache und eindeutige Ablei-

tung wie beim Empirismus natürlich nicht erreichbar. Das ist der

Grund dafür, und schon unsere bisherigen Darstellungen ließen es

erkennen: Daß ein volles Verständnis der obigen Übersicht über die

verschiedenen inneren Möglichkeiten des Idealismus ohne Heranzie-

hung der g e s c h i c h t l i c h e n F o r m e n in der idealistischen

Philosophie nicht zu erlangen sei. Wenn wir daher hier, wo wir uns

noch beim systematischen Teil befinden, schon Geschichtliches vor-