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Endlich gehört zur Gotteslehre auch die S c h ö p f u n g s l e h r e ,
deren Fragen aber hier nicht berührt werden sollen.
D e r E m p i r i s m u s kennt diese Fragen systemgemäß nicht, nur als Grenz-
fragen in verneinender Behandlung können sie Vorkommen. Er ist entweder
Atheismus oder Deismus. Denn nur wenn es entweder keinen Gott gibt oder
Gott in der Welt nicht wirkt, diese daher sich selbst überlassen ist, kann die reine
Empirie Grundlage der Philosophie sein
1
.
b. Die Lehre von den Vermittlungen
Am befremdlichsten wird es dem heutigen Jünger der Philosophie
klingen, daß wir von „Vermittlungen“ sprechen. Doch wird dies
verständlich, sobald man bedenkt, daß der entfaltete Idealismus
das / Übersinnliche nicht nur als ferne und unerkennbare Grenze
voraussetzt (so Kantens unerkennbares Ansich der Dinge), sondern
ein lebendiges wirksames Verhältnis zum Sinnlichen annimmt. Man
kann diese Frage auch so fassen: Wie g e h e n d i e s i n n -
l i c h e n D i n g e a u s d e m Ü b e r s i n n l i c h e n h e r -
v o r ? Da ist es klar, daß es Mittelglieder zwischen Gott und Welt
geben müsse, und zwar sowohl wenn ein Bruch, ein „Abfall“ als
Grund der Welt angenommen wird, als auch ohne ihn. Denn die
sinnlichen Dinge müssen irgendwie auf dem Übersinnlichen grün-
den, aber ohne Vermittlung ist das undenkbar.
Diese Frage kann nun, wie schon früher bemerkt, grundsätzlich
nach zwei Gesichtspunkten behandelt werden, inhaltlich oder for-
mal. Inhaltlich, dem Wesen nach, wurden die Mittelglieder zwischen
Gott und Welt bisher in der Geschichte der Philosophie bestimmt
als:
I d e e n , das heißt Ur-Bildegewalten, schöpferische Gattungen:
in der Ideenlehre Platons und der platonisch-augustinischen Schola-
stik
2
;
F o r m e n , in der Formenlehre des Aristoteles und der aristote-
lisch-thomischen Scholastik;
E m a n a t i o n e n , das sind abgeschwächte Ausflüsse der Gott-
heit, in sich wieder Ideen enthaltend: in der Emanationslehre des
1
Siehe oben S. 53 ff.
2
Siehe unter Platon, unten S. 209 ff.