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Innerhalb der Geisteslehre werden auch die Fragen der W i l -
l e n s f r e i h e i t , d e s V e r h ä l t n i s s e s v o n L e i b u n d
S e e l e , sowie endlich der U n s t e r b l i c h k e i t entschieden.
Die idealistischen Philosophien gelangen grundsätzlich zu dem
Standpunkte der Freiheit des Geistes und seines Vorranges vor dem
Leibe, ebenso der Unsterblichkeit.
Damit haben wir auch schon die Gegensätze zum E m p i r i s m u s berührt:
Die idealistische Erkenntnistheorie stellt daher: Dogmatismus gegen Relativismus;
Eingebungslehre, sowie Lehre von „angeborenen Ideen“ und ihre „Erinnerung“
gegen Sensualismus; Irrationalismus gegen Rationalismus und Intellektualismus. /
Während im Sensualismus liegt, daß der Geist alle Erkenntnis von a u ß e n
empfange, liegt im Idealismus (wie aus der Setzungslehre, der Anamnesis- und
Eingebungslehre, hervorgeht): E r k e n n e n i s t z u l e t z t e i n S c h ö p f e n
d e s G e i s t e s a u s s i c h s e l b s t . Dieses Schöpferische, Bewegende ist
überall von der größten Bedeutung im Idealismus und verleiht ihm einen unend-
lichen Vorzug vor jedem Sensualismus.
e.
Gesellschaftslehre oder Lehre vom übereinzelnen Geiste
Die idealistische Gesellschaftslehre ist grundsätzlich universali-
stisch, denn sie geht nicht vom vereinzelten, für sich bestehenden
Geiste, sondern von der Gemeinschaft als einem Über-Dir aus, wel-
ches die einzelnen Geister in sich befaßt (wobei von zeitbedingten,
individualistischen Überbleibseln zum Beispiel bei Aristoteles,
Fichte, Schelling abgesehen wird). Infolge dieses Gemeinschaftsbe-
griffes ist sie, sei es auch unbewußt, eine Lehre von der Ausgliede-
rung des gesellschaftlichen Ganzen in seine Teilinhalte und Stufen.
Wie daraus das Ständetum sowie die Willensbildung von oben her-
unter folgt, wird sich später zeigen
1
.
Dem E m p i r i s m u s entspricht dagegen ein gesellschaftlicher I n d i v i d u -
a l i s m u s (Subjektivismus, Atomismus), der die Gesellschaft aus den vorher
selbständig (also autark) gedachten Einzelnen zusammengesetzt sein läßt. Er kennt
daher keine geistige Wirklichkeit des gesellschaftlichen Ganzen. — Hier bestehen
die Gegensätze: Universalismus (Ganzheitslehre) gegen Individualismus; gesell-
schaftlicher Objektivismus gegen gesellschaftlichen Subjektivismus (als Folgerung
besonders: ständische Gliederung gegen Liberalismus und Demokratie); Ausglie-
derungsordnung der Gesellschaft mit den Vorrängen der Teilinhalte und Stufen
untereinander gegen die Gesellschaft als bloße Resultante individueller Geistes-
inhalte.
f.
Sittenlehre
Die Sittenlehre zeigt die vollkommenen Gestaltungen des Geistes-
lebens, sie ist Vollkommenheitslehre. Da der Einzelne nur in Ge-
Siehe unten S.
221
f. und
235
ff.