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unterscheiden. Der Idealismus kann sich entweder mehr seiner me-
taphysischen Grundlage widmen oder mehr den Durchführungen im
Bereiche einzelner Fächer und ihrer Empirie. Ganz allgemein sind
daher zweierlei grundsätzliche Richtungen des Idealismus zu unter-
scheiden: (1) eine mehr metaphysische, die man auch theologische
oder religiöse nennen kann, vertreten durch Platon und Schelling,
sowie durch die platonisierende Scholastik; (2) eine mehr logische,
rationale, formalistische, obwohl konstruktive, doch zugleich empi-
rischen Anwendungen zugewendete, vertreten durch Aristoteles,
Leibniz und Hegel sowie auch durch die thomistische Scholastik
1
,
wobei Aristoteles mehr auf die naturwissenschaftliche, Hegel mehr
auf die geisteswissenschaftliche Anwendung geht und geschichtlich
gerichtet ist, was ja beides in den Bedürfnissen der damaligen Zeiten
lag. Endlich ist die Platonische Richtung mehr als geistig-mystische
L e b e n s k u n s t , die Aristotelische und Hegelische mehr als
W i s s e n s c h a f t zu kennzeichnen
2
.
IV. Nochmals die inneren Voraussetzungen des Idealismus
„Nur wer Freiheit gekostet hat, kann das Verlangen empfin-
den, ihr alles analog zu machen, sie über das ganze Universum zu
verbreiten.“
Schelling
A. „ E r k e n n e d i c h s e l b s t “
Wir haben nun das Gebiet des Idealismus soweit überblickt, daß
wir seine Hauptlehrbegriffe von der erkenntnistheoretischen bis
zur / voll entfalteten Form kennen. Doch dem heutigen Menschen
fällt es schwer, das Mißtrauen zu tilgen, es handle sich bei einer
Ideenlehre, Dialektik, Ganzheitslehre, Freiheitslehre um über-
schwengliche Begriffe. Da ist es an der Zeit, uns wieder auf die in-
neren Voraussetzungen zu besinnen, auf denen jeder Idealismus be-
ruht.
Mit dem Schritte, den wir in das Reich des Idealismus tun, be-
1
Nicht durch Albertus Magnus, der zugleich neuplatonisch eingestellt war.
2
Die geschichtlichen Formen siehe unten S. 197 ff.