102
[86/87]
seiner Rententheorie eine Verteilungslehre, wonach die Grundrente
auf Kosten der Kapitalisten- und Arbeiterklasse steige, so daß sich
hieraus wirtschaftspolitisch ein dem Grundbesitzerinteresse feind-
licher, dem Kapitalisteninteresse freundlicher Standpunkt ergab.
Die spätere Schule Smiths ist zugleich die Schule Ricardos. Zu den
schon genannten
1
Namen fügen wir noch hinzu: William Nassau
Senior
2
, John Ramsay MacCulloch, John Stuart Mill,
3
dessen „Principles
of Political Economy“ (1848)
4
die gesamte klassische Lehre nochmals zu-
sammenfassen (trotz sozialistischer Neigungen seiner Spätzeit); ferner
Adolph Wagner und Heinrich Dietzel
5
. — Über die n e u l i b e r a l e n
V e r f a s s e r siehe Seite 217. — Über Rodbertus und Marx, die nament-
lich Ricardos Arbeitswertlehre übernahmen, siehe Abschnitt X, Seite
164 ff.; über Henry George, der auf Ricardos Grundrentenlehre fußt, siehe
Seite 184.
4 .
B e u r t e i l u n g R i c a r d o s
a.
Der Systemgedanke
Ricardo war kein schöpferischer Geist. Alle seine Grundgedan-
ken stammen von Smith, Malthus und anderen Vorgängern.
Auch sein Systemgedanke ist derselbe wie bei Smith. Wir kön-
nen ihn durch: Eigennutz (1); Zusammentreffen der Eigennutze auf
dem Markte (2); Verteilung (Einkommenbildung) innerhalb des
Tausches (3) bezeichnen
6
. Ricardos Lehre, die in veränderter Form
heute noch herrscht, beruht also wie. jene Smiths auf der Auffassung
der volkswirtschaftlichen Erscheinungen als bloßer Tauschvorgänge.
Sie will Erzeugung und Verteilung vom Tausche her erklären. Von
der Preisbildung soll es abhängen, was erzeugt wird, und wer die
Güter kauft, wohin sie fließen. Ricardos gesamte Lehre hat daher
in der Wert- und Preislehre ihren Angelpunkt. — Dieselben Ein-
wände, die früher / gegen Smith gemacht wurden, vor allem, daß
1
Siehe oben S. 72 ff.
2
Siehe oben S. 86.
3
Siehe unten S. 104.
4
John Stuart Mill: Grundsätze der politischen Ökonomie, mit einigen
ihrer Anwendungen auf die Sozialphilosophie. Nach der Ausgabe letzter
Hand (7. Aufl., 1871) übersetzt von Wilhelm Gehrig und eingeleitet von
Heinrich Waentig. Bd I, Jena 1913; Bd II, Jena 1921 (= Bd 17 und 18 der
Sammlung sozialwissenschaftlicher Meister. Herausgegeben von Heinrich
Waentig).
5
Siehe unten S. 217.
0
Siehe oben S. 75 f.