[87]
103
der Tauschbegriff Sinn und Zweck der Wirtschaft, die L e i s t u n g ,
verfehle, gelten auch für Ricardo
1
.
b.
Wert- und Preislehre
Ricardos Grundbegriff war der des Arbeitswertes, welcher, wie
man heute nach dem übereinstimmenden Urteile aller Richtungen
der Wissenschaft ohne Umschweife sagen kann, verfehlt ist. Die
Schwierigkeiten der Ricardischen Wertlehre — dieselben, die später
bei Marx hervortraten — liegen nicht nur darin, daß die verschie-
denen Arbeitsarten nicht auf einfache Arbeit zurückgeführt werden
können (mit wieviel Stunden Tagelöhnerarbeit soll eine Stunde
Erfinderarbeit gleichgesetzt werden?); sondern auch in der verschie-
denen Verwendung des Kapitals in Geschäftszweigen von verschie-
den langer oder kurzer Umschlagzeit.
Dadurch entsteht folgender Widerspruch mit der Erfahrung: Da nach
Ricardo bei freiem Wettbewerb a l l e P r o f i t e g l e i c h h o c h
s i n d
2
, so müssen jene Geschäftszweige, die viel dauerhaftes Kapital
verwenden und eine l a n g e U m s c h l a g z e i t haben (z. B. der Ma-
schinenbau), ihre Erzeugnisse nach Ricardo ü b e r dem Arbeitswert
verkaufen: denn sonst könnten sie ja bei der langsamen Kapitalnutzung
nicht den gleichen Profit erlangen, wie jene Wettbewerber, die eine
k u r z e U m s c h l a g z e i t haben, das heißt, ihr Kapital rasch Um-
setzen (z. B. der Verlag in der Heimarbeit). Dieses Plus über den Ar-
beitswert nennt Ricardo eine „ V e r g ü t u n g f ü r d i e Z e i t , wäh-
rend welcher der Gewinn vorenthalten wurde“
3
. Umgekehrt verkaufen
nach Ricardo die Geschäfte mit sehr kurzer Umschlagzeit ihre Waren
unter dem Arbeitswert. Darnach müßten aber a l l e P r e i s e d a u e r n d
ü b e r o d e r u n t e r d e m A r b e i t s g e h a l t e d e r W a r e n
s e i n ,
die Arbeitswertlehre könnte also die meisten Preise nicht erklären — die
Arbeit als Bestimmungsgrund des Preises ist damit aufgegeben! (Ricardo
anerkannte in seinem Briefwechsel selbst, daß hier eine ungelöste
Schwierigkeit seiner Wertlehre liege.) Ricardo hat ferner in seiner
Grundrentenlehre auch die Seltenheit neben der Arbeitsmenge als wert-
bildendes Element eingeführt, damit allerdings die Einheit des Erklä-
rungsgrundes zerstört. — Überhaupt ist Ricardo vom Vorwurfe des
Eklektizismus nicht freizusprechen. Er vertritt außer der A r b e i t s -
k o s t e n l e h r e öfters nur eine a l l g e m e i n e K o s t e n t h e o r i e
4
;
außerdem tritt die Z e i t , endlich auch die S e l t e n h e i t wertbil-
dend auf. Ein strenger Begriffszusammenhang besteht nicht durch-
gängig.
1
Siehe oben S. 75 ff.
2
Siehe oben S. 100.
3
David Ricardo: On the Principles of Political Economy and Taxa-
tion, Kap. 1/5, a. a. O.
4
Siehe unten S. 104.