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Die Arbeitswerttheorie versagt auch völlig gegenüber den
unverbrauchlichen Gütern.
Während z. B. ein Stück Brot nur ein-
mal gegessen werden kann, kann ein Geigenspiel zugleich von 1 oder
1000 Zuhörern gehört, ein Handelsvertrag, ein Erfinder- / gedanke,
ein Organisatorengedanke einmal oder milliardenmal angewendet,
also nicht abgenützt werden; eine Geige wird besser, wenn man
sie spielt, eine Geschicklichkeit größer, wenn man sie ausübt, usw.
Innerhalb solcher unbestimmter Grenzen der Unverbrauchlichkeit
wird die Arbeitskostenrechnung
uneindeutig,
daher hinfällig. Daraus
folgt allgemein: W e r t u n d P r e i s s i n d i m s t r e n g e n S i n n e
n i c h t r e c h e n b a r (Weiteres darüber später).
Die beiden Ricardischen „Preisgesetze“ — der Gravitation nach
den niedersten und den höchsten Kosten — sind demnach als
Gesetze falsch; aber als m a r k t t e c h n i s c h e F a u s t r e g e l n
oft brauchbar.
Dasselbe gilt von dem „Gesetz“ von Angebot und Nachfrage. Daß
steigendes Angebot die Preise senke, ist nur eine markttechnische, keine
primäre wirtschaftliche Erscheinung. A n g e b o t u n d N a c h f r a g e
w e r d e n i n W a h r h e i t n i c h t n a c h M e n g e n o c h n a c h A r -
b e i t s g e h a l t , sondern nach ihrer Bedeutung, das heißt nach ihrer
s i n n v o l l e n Eingliederung in die Wirtschaft, also qualitativ, wirk-
sam
1
.
Ferner besteht die Gravitation der Preise nach den geringsten Kosten
insofern nicht, als es keine dauernd beliebig vermehrbaren Güter gibt!
— Auch gibt es keinen „Ausgleich der Preise“, weder wirklich, noch
ideell; alle Preise sind e i n m a l i g
2
. — Viel richtiger ist die „Gravi-
tation nach den teuersten Kosten“, da in Wahrheit auch bei den soge-
nannten beliebig vermehrbaren Gütern jeweils noch in Anspruch zu
nehmende t e u e r s t e Betriebe, Händler, Maschinen, Rohstoffe, Arbeits-
hände und so fort in Frage kommen. Also gilt: Ü b e r a l l e n t s t e h e n
„ R e n t e n “ , n i c h t n u r b e i m G r u n d u n d B o d e n .
F o r t b i l d u n g s v e r s u c h e . Die Mängel der Arbeitskostenlehre
führten dazu, daß spätere Ricardoschüler, vor allem J o h n S t u a r t
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, versuchten, die Kosten statt in Arbeit in Geld auszudrücken.
Damit sinkt aber die Wertlehre zu der einfachen Behauptung herab, daß
die Güterpreise durch ihre in Geld ausgedrückten Kosten bestimmt wür-
den. Da die Kosten wieder von den Preisen abhängen, bewegt sich diese
Erklärung im Kreise.
Daher obsiegte schließlich ein anderer Fortbildungsversuch der „klas-
sischen“ Lehre, die „Gleichgewichtstheorie“, die das „Gleichgewicht von
Angebot und Nachfrage“ (beziehungsweise der Warenpreise und der Pro-
1
Siehe unten S. 222.
2
Siehe unten S. 222.
3
Siehe oben S. 102.