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— theoretisch wie geschichtlich. Erstens: Ertrag und Einkommen

bildet sich niemals durch die Arbeit eines Einzelnen (eine solche

gibt es nicht, einer allein, z. B. ein Eisendreher in der Fabrik, kann

nicht erzeugen); sondern durch den Gesamtertrag der wirtschaft-

lichen Ganzheiten, z. B. des Betriebes, zuletzt der Volks- und Welt-

wirtschaft. — Zweitens: Daher ist maßgebend für den Lohn die

T e i l n a h m e a n d e n G e s a m t e r t r ä g e n , und zwar: der

eigenen Volkswirtschaft an der Weltwirtschaft (die für England eine

andere als für Deutschland ist), der Geschäftszweige und Betriebe

an der Volkswirtschaft; ferner ist maßgebend die eigene Fruchtbar-

keit der niederen Ganzheiten, nämlich der Volkswirtschaft, Ge-

schäftszweige, Betriebe, Betriebsglieder. Allgemein heißt das: Ricardo

übersieht die Ergiebigkeit der Arbeit und erkennt sie nicht als

wertbildend an (sie wurde zum ersten Male von Thünen beachtet).

Wenn nämlich technische Fortschritte eintreten, wenn die Teilnahme

an den weltwirtschaftlichen Erträgnissen wächst, so heißt das: der

Arbeitsfrüchte sind mehr, das Volkseinkommen und damit der

Vorrat, aus dem der Anteil des Arbeiters bestritten wird, ist /

größer. Nur dadurch ist ja bei steigender Bevölkerung auch stei-

gender Wohlstand möglich, nur dadurch z. B. der große Lohnunter-

schied zwischen dem amerikanischen Arbeiter (dem Gliede einer

hochergiebigen Volkswirtschaft) und dem deutschen Arbeiter

(dem Gliede einer ärmeren Volkswirtschaft) erklärlich

1

. Drittens:

Die A r b e i t i s t f a s t n i e e i n p r a k t i s c h b e l i e b i g v e r -

m e h r b a r e s , sondern in den meisten Teilmärkten auch ein

knappes, nur zu steigenden Preisen vermehrbares Gut. Denn der

Arbeitsmarkt ist in viele T e i l m ä r k t e (Männer-, Frauen-, Kin-

derarbeit, ungelernte, gelernte, hochqualifizierte Arbeit, persönliche

Dienste, Beamte, freie Berufe) geteilt, die jeweils nicht gleichmäßig

„überfüllt“ und wenig ausgleichsfähig sind („Leutenot“ in der

Landwirtschaft, Arbeitslosigkeit im Großgewerbe!). Viertens über-

sah Ricardo, daß die Lohnsteigerung notwendig E i n f l u ß a u f

d i e E r z e u g u n g hat, und zwar (innerhalb gewisser Grenzen)

die Leistung des Arbeiters erhöht und den Betrieb rationalisiert. —

Fünftens gilt daher: Nicht das Existenzminimum und die Lebens-

haltung bestimmen den Lohn, sondern eher gilt umgekehrt, daß

1

Siehe unten S. 220 ff.