[177/178]
199
stische, welche den Hauptwert auf die Ansätze induktiver Forschungen namentlich
bei Aristoteles, legt
1
; (5) als vergängliche Modeströmung ist die L o t z e folgende
neukantische Platonauffassung anzusehen (Platons „Ideen“ wären nur Gesetze, „Gel-
tungszusammenhänge“). — Wir trachten im folgenden unsere Darstellung mög-
lichst auf die p h i l o s o p h i s c h e n Systemgedanken zu gründen.
P l a t o n s S c h r i f t e n haben die Form von Gesprächen. Ein Versuch, die
wichtigsten ihrem Inhalt nach in einen s y s t e m a t i s c h e n Zusammenhang zu
bringen, ergibt unseres Erachtens etwa folgende Anordnung:
a.
E r k e n n t n i s l e h r e . Der „Theaitetos“ zeigt, wie der Sensualismus der
Sophisten das Denken dem ewigen Wechsel, dem Relativismus, preisgibt und
stellt ihm das wahre Sein (die Idee) als objektive Bedingung des wahren Erken-
nens entgegen. Ähnlich der „Staat“ (siehe unter „b“ und „c“).
b.
I d e e n l e h r e . Im „Phaidros“ wird der Eros als die Flügelkraft der
menschlichen Seele gefeiert und aus der Schau der Ideen in der Präexistenz der
Seele, also durch einen Mythos, die Ideenlehre entwickelt
2
. — Das „Gastmahl“, ein
unvergleichliches Meisterwerk, erklärt die Liebe metaphysisch vom Standpunkte
der Ideenlehre. „Sophistes“, „Philebos“ und „Parmenides“ behandeln die Ideen-
lehre ontologisch; dazu auch ethisch und erkenntnistheoretisch behandelt sie das
große Gespräch „Der Staat“.
c.
S i t t e n - , G e s e l l s c h a f t s - u n d S t a a t s l e h r e . Im „Gorgias“
wird der sophistischen Sittenlehre angeblichen Zusammenfallens von Lust und
Tugend das Gute als das an sich seiende Allgemeine entgegengestellt; ähnlich im
„Staat“, dessen Hauptthema die Gerechtigkeit ist. Die Gerechtigkiet ist eine Idee,
doch gibt es noch etwas Höheres als sie, die Idee des Guten (Gott). Hieraus
ergibt sich eine Gesellschaftslehre auf dem Grunde der Ideenlehre
3
. In einem
nachgelassenen Werke, die „Gesetze“, wird diesem abstrakten Staatsideal ein Sy-
stem zeitgemäßer Vorschläge zur Seite gestellt.
d.
G e i s t e s - u n d S e e l e n l e h r e . Der „Phaidon“ erörtert die Unsterb-
lichkeit der Seele in Verbindung mit der Ideenlehre. Der „Menon“ erklärt das
Lernen als „Wiedererinnerung“, als Erweckung der im Vorsein geschauten Ideen.
Auch der „Staat“ entwickelt die Geisteslehre auf dem Grunde der Ideenlehre.
Auf demselben Grunde entwickelt
e.
die N a t u r p h i l o s o p h i e der „Timaios“.
f.
G o t t e s - u n d S e i n s l e h r e . Im „Philebos“ werden die vier meta-
physischen Prinzipien: die oberste Ursache oder Gott, das Bestimmte oder die
Idee, das Bestimmungslose oder die Materie, das Gemischte oder die sinnfällige
Wirklichkeit dargestellt, das Gute wird für die menschliche Seele auf die wahre
Lust der das sittliche Handeln bestimmenden Einsicht gegründet. Der „Sophistes“
endlich behandelt das sophistische Scheinwissen verbunden mit dem Wesen des
Nichtseienden. Die eleatische Lehre vom Sein (es gebe nur Sein, kein Werden)
wird widerlegt, ebenso die heraklitische (es gebe nur Werden, kein Sein, „alles
fließt“), desgleichen die atomistische (es gebe keine / Dinge, nur Atome); dage-
1
Franz Brentano; Theodor Gomperz: Griechische Denker, 3. Aufl., Leip-
zig 1911.
2
Mehr darüber siehe unten S. 209 ff.
3
Mehr darüber siehe unten S. 221 f.