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der Vernunft; womit die Natur geistbestimmt ist und in ihr Ver-

stand gesucht werden muß. Im „Philebos“

1

heißt es, „daß die Ver-

nunft über das Ganze herrsche“. — Als vernunftsbestimmt ist die

Natur nicht grenzenlos, sondern ein geschlossenes Ganzes, ein Kos-

mos, ein Organismus der Ordnung, Harmonie und Schönheit, ge-

staltet und endlich. Nicht blinde, mechanische Ursachen wirken in

der Natur

2

, sondern Vernunft und von Gott stammende Erkennt-

nis. Wie unser Leib eine Seele hat, so auch der Leib des Weltgan-

zen eine W e l t s e e l e .

Die Welt besteht aber aus zwei Elementen: aus der Idee und der

M a t e r i e . Diese ist das relativ Nichtseiende

3

, zugleich die

Quelle des Irrtums, Leidens und sittlichen Verderbens („Phaidros“,

„Theaitetos“), jedoch wird ihr auch eine gewisse Zweckbestimmung

eingeräumt („Timaios“, „Philebos“; Näheres über den Begriff der

Materie später).

f.

Verfahrenlehre und Logik

Eine Grundlegung der Wissenschaften als V e r f a h r e n l e h r e

u n d / L o g i k ist bei Platon nur andeutungsweise vorhanden.

Dem Durchwaltetsein der Natur- und Geisteswelt von Ideen ent-

spricht ein Verfahren, das wir zweckhaft oder teleologisch nennen

müssen, scheint eine Mittelstellung zwischen dem Geistigen und

Mechanischen einzunehmen

4

. Weitere Ansätze einer Verfahren-

lehre liegen im Begriffe der Dialektik und der Unterscheidung oder

„D i a i r e s i s“

5

.

Ist dieses Verfahren selbst auch nicht genauer ausgebildet, so hat Platon doch

den grundsätzlichen Gegensatz der idealistischen (geistigen) und der materiali-

stisch-mechaniscben Wissens- und Naturauffassung aufs klarste gesehen. Das

führt am besten eine „Phaidon“-Stelle vor Augen, in welcher Sokrates die materia-

listisch-mechanische Erklärung seiner Lage ablehnt: „ ... daß ich jetzt deswegen

hier (im Gefängnis, aus dem Sokrates freiwillig nicht entfloh) säße, weil mein

Leib aus Knochen und Sehnen besteht... Da nun die Knochen in ihren Gelenken

schweben, so machten die Sehnen ..., daß ich jetzt imstande sei, meine Glieder zu

bewegen, und aus diesem Grunde säße ich jetzt hier mit gebogenen Knieen“ sei

1

Platon: Philebos, 30 d.

2

Platon: Sophistes, übersetzt von Otto Apelt, Leipzig 1914, 265 (= Philo-

sophische Bibliothek, Bd 150).

3

Siehe oben S. 175 f. und 202.

4

Siehe oben S. 202.

5

Siehe oben S. 202, unten S. 213 f. und 258.