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ken sein! Damit stimmt es überein, daß Gott die Idee des Guten
1
, oberste
Ideen
2
, Inbegriff aller Ideen, die Idee der Ideen genannt und doch zugleich als
Schöpfer der Ideen
3
bezeichnet wird. Sehr wichtig ist es, zu verstehen, daß es bei
Platon kein Widerspruch sei, Gott als den Inbegriff der Ideen und ihn doch als zu-
gleich über den Ideen stehend zu bestimmen. Im „Sophistes“ (265 c, f) wird das-
jenige, was die Dinge aus dem Nichtsein zum Dasein ruft, ausdrücklich als die
„ g ö t t l i c h e S c h ö p f e r k r a f t “ bezeichnet. Auch im „Philebos“ wird die
letzte „Ursache“ (Gott) vom Begrenzenden (den Ideen) getrennt (27 b ff.). — So-
viel geht aus diesen Stellen unzweifelhaft hervor, daß die erste schöpferische Macht
nicht bei den Ideen, sondern durchaus bei der Gottheit liegt; daß daher nur ab-
geleiteterweise auch den Ideen schöpferisches Vermögen zukomme. Die Ideen sind
also auch nicht nur „Musterbilder“ und Zweckursachen, wie z. B. Otto Apelt in
seiner Übersetzung des „Sophistes“
4
fälschlich behauptet. Unzweifelhaft lehrt
Platon, daß Gott nicht schlechthin die oberste Idee, sondern überdies dem Wesen
nach über den Ideen, „jenseits“ alles Seienden ist. Die streng begriffliche Auflösung
dieser Zwiespältigkeit hat Platon in seinen Schriften allerdings nicht gegeben,
aber die anschauliche Vereinbarlichkeit beider Elemente liegt in jedem Polytheis-
mus beschlossen.
Ähnlich steht es mit dem Verhältnis der Ideen zu den Dingen. Der entschei-
dende Begriff ist die „T e i
1
n a h m e“
(
μέδεξις
). Daß dieser ungenügend sei,
wurde von Platon selbst festgestellt
5
.
ε.
Das Reich der Ideen. Kategorienlehre. Logik
Platon nimmt eine Stufenleiter der Ideenwelt an. Die Ideen der sichtbaren
Wesen setzen selber wieder Ideen von höherem Range voraus
6
, bis die Verket-
tung der Ideen, welche es möglich machen würde, daß jemand, von einer Idee
ausgehend, alles finden könnte, wenn er nur tapfer und unablässig suchte
7
, zuletzt
zum Letzten käme, zum Grunde aller Dinge, zu Gott
8
.
Diese „Gemeinschaft der Ideen“ oder „Gattungen“
(
κοινωνία
τών
γενών
)
wird von Platon nach einer begrifflichen und nach einer hierarchischen Seite hin
bestimmt. Hierarchisch gesehen besteht ein Stufenbau der Gattungen und Arten.
Begrifflich stellt sich
9
die Frage so dar, daß einige Begriffe miteinander verbun-
den werden können, andere nicht. Als Hauptinhalt dieser wichtigen Lehre darf
man wohl folgendes bezeichnen: Jeder Begriff (Idee) hat in der Ideenwelt seinen
bestimmten intelligiblen Ort (Topos, daraus die a r i s t o t e l i s c h e „T o p i k“).
Die übergeordneten Begriffe (höheren Gattungen) schließen die untergeordneten
ein; und alle / nebengeordneten schließen sich gegenseitig aus. Damit ist das
1
Platon: Staat, 505 a ff.; Phaidon, 65 d.
2
Platon: Sophistes, 254 c ff.
3
Platon: Staat, 597 b ff.
4
Platon: Sophistes, übersetzt und erläutert von Otto Apelt, Leipzig 1914,
S. 151 und öfter (= Philosophische Bibliothek, Bd 150).
5
Platon: Parmenides, übersetzt von Otto Apelt, 2. Aufl-, Leipzig 1922, 131 a
ff. (= Philosophische Bibliothek, Bd 83).
6
Platon: Phaidon, 100, 101.
7
Platon: Menon, übersetzt von Otto Apelt, 2. Aufl., Leipzig 1922, 81 (= Phi-
losophische Bibliothek, Bd 133).
8
Platon: Staat, 511 b, 517.
9
Platon: Sophistes, 252 b ff.