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falsch. Im Mechanismus seines Körpers liege nicht die wahre Ursache. „Denn beim
Hunde, schon lange ... wären diese Sehnen und Knochen, durch die Vorstellung
des Besseren in Bewegung gesetzt, in Megara oder bei den Böotiern, hätte ich es
nicht für gerechter und schöner gehalten, lieber als zu fliehen ... dem Staate die
Strafe zu büßen, die er ordnete. Also dergleichen [die Knochen] Ursachen zu
nennen, ist gar zu wunderlich; wenn aber einer sagte, daß ohne dergleichen zu
haben, Sehnen und Knochen ... ich nicht imstande sein würde, das auszuführen,
was mir gefällt, der würde richtig reden.“ Es ist aber „zu unterscheiden, daß bei
jedem Dinge etwas anderes die Ursache [der Vernunftgrund] ist und etwas
anderes jenes, ohne welches die Ursache nicht Ursache sein könnte [die stoff-
liche Vorbedingung oder Mitursache] .. . Die wahren oder Vernunft-Ursa-
chen des Geschehens, das ist Platons Meinung, sind die Ideen, das Stoffliche ist
nur Vorbedingung, werkzeugliche Bedingung.
Die f o r m a l e L o g i k bahnte Platon durch den Satz des Widerspruches
an"
1
.
2. E r l ä u t e r u n g e n u n d B e l e g e
Dieser Übersicht fügen wir nun zur Begründung und Erläuterung
noch weitere Belege hinzu.
a. Gotteslehre
Eine begrifflich ausgeführte Gotteslehre gibt Platon nicht. Der Streit geht
darum, was bei ihm Sinnbild und was Lehre sei. Wenn im „Timaios“ (27 d — 30)
Gott als Weltbaumeister auftritt, der auf die Ideen hinblickt und aus einem „ord-
nungslos bewegten“ Sichtbaren, dem Stoffe
3
, die Welt schafft, so fragt es sich, ob
hier die Persönlichkeit Gottes, ferner das selbständige Dasein der Ideen und des
Stoffes außerhalb Gottes nur Bild oder Lehre sei?
/
Diese und andere Fragen können nur im Zusammenhange mit anderen Stel-
len entschieden werden. Im „Philebos“ lehrt Platon die „Ursache“
(αίτια)
als das
höchste Prinzip, worunter Gott verstanden wird. A l l e s Werdende, heißt es
dort, muß eine Ursache haben, und diese Ursache muß Vernunft sein. Denn die
Welt ist nicht von ungefähr, sondern nach Vernunft und Einsicht geordnet
4
.
Bedenkt man, daß im „Timaios“ wiederholt die geschaffenen Götter (die Ele-
mente Gestirne, die Welt als Ganzes, die ein belebtes Wesen ist), als von einem
„Vater des Alls“ erzeugt bezeichnet werden, und vergleicht man noch andere Stel-
len, von denen wir unten einige Nachweise geben
5
, so darf man entgegen einer
verbreiteten Meinung mit Sicherheit behaupten, daß von Platon Gott nicht nur
als Geist im Sinne einer unpersönlichen, abstrakten Vernunft (die ein Unbegriff
wäre), sondern als etwas Subjektives, P e r s ö n l i c h e s , also über den Gegen-
1
Platon: Phaidon, 98 v ff.
2
Platon: Staat, 436 b ff.
3
Platon: Timaios, 30 a.
4
Platon: Timaios, 28—30.
5
Platon: Philebos, 27 a: Die göttliche Vernunft ist höher zu stellen als die
menschliche (desgleichen 28 a—c). — Im Timaios, im Phaidon, in den Gesetzen
wird von der Vorsehung gesprochen. — Sophistes, 248 f.; 269. — Gesetze, 10. Buch,
900 ff. (Ablehnung des Deismus), 875 c, 780 e und öfter.