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217

c. Geistesphilosophie

α.

Allgemeine Geisteslehre. Erkenntnislehre

Platon gibt schon diejenigen wesentlichsten Bestimmungen des Geistes, die in

der ganzen Geschichte der Philosophie im Mittelpunkte stehen. Es sind dies:

1.

Die S e l b s t b e w e g u n g der Seele schildert Platon im „Phaidros“

(245 c ff.). „Zuerst muß man über die Natur der Seele, der göttlichen sowohl als

der menschlichen, durch Betrachtung ihres Leidens und Tuns das Wahre ermit-

teln ... Alle Seele ist unsterblich. Denn... das sich selbst Bewegende, weil es sich

selbst nicht verläßt, hört nicht nur niemals auf in Bewegung zu sein, sondern

auch allem Übrigen, was bewegt wird, ist dieses Urquell und Anfang der Be-

wegung. Der Anfang ist aber unentstanden. . . Sonach ist der Bewegung Anfang

das sich selbst Bewegende; dieses aber kann weder untergehen noch entstehen,

oder das ganze Weltall und die ganze Schöpfung müßte zusammenfallen...

Wenn sich nun als unsterblich gezeigt hat das durch sich selbst in Bewegung Ge-

setzte, so wird man eben dieses für das Wesen und den Begriff der Seele zu er-

klären, kein Bedenken tragen.. .“

I

Es folgt das bekannte Gleichnis eines Ge-

spanns mit zwei Rossen und einem Lenker. „Lenker“ ist der Geist, das eine Roß

die Seele, „von demselben Stamme“ wie der Geist, das andere der Leib mit bösen

Trieben. Weiter heißt es (246 b ff.): „Alles was beseelt ist, waltet über alles Un-

beseelte und durchwandert das ganze Weltall, von einer Gestalt in die andere

übergehend. Ist es nun vollkommen, so wandelt es in die Höhe und regiert die

ganze Welt; das Entfiederte aber senkt sich, bis es auf etwas Festes trifft, wo es

sich niederläßt, einen irdischen Leib empfängt, der sich selbst zu bewegen scheint

durch seine Kraft, und dieses Ganze, Seele und Leib, zusammengefügt, heißt ein

Lebendiges und erhält den Beinamen sterblich . . . “ (Abfall!)

Der selbstbewegte Geist ist göttlich, der menschliche Geist gottverwandt. Der

Geist

(νούς)

„ist ein Stammvater des als Ursache von allem Bezeichneten“, näm-

lich Gott

2

.

2.

V o r r a n g der Seele vor dem Leibe. Platon folgert aus der Selbstbewe-

gung den Vorrang (das logische und zeitliche Frühersein) des Seelischen gegen-

über dem Körperlichen

3

. So auch im „Philebos“, wo es heißt (27a): „Das Be-

wirkende hat stets seiner Natur nach die Leitung, das Bewirkte aber folgt als

Werdendes jenem.“

3.

Die U n s t e r b l i c h k e i t folgert Platon ebenfalls aus der Selbstbe-

wegung, wie die soeben angeführte „Phaidros“-S teile zeigt. Außerdem folgt sie

nach Platon aus der Gegensatzlehre

5

, ferner aus dem Ideen-Charakter der Seele

(worüber sogleich mehr) und endlich aus dem Teilhaben des / Denkens an der

Vernunft, die g ö t t l i c h ist und dem Körperlichen entgegengesetzt

3

.

4.

Die S e e l e i s t s e l b s t e i n e I d e e . Man muß diesen Gedanken

als für die Erkenntnislehre Platons entscheidend erklären. Er folgt unter anderem

aus „Phaidon“, 105 d f., wo für die Seele, wie für andere Ideen, gilt, daß sie das

Gegenteil von dem, was sie den Dingen zubringt, nicht selbst aufnimmt. Die

1

Ähnlich: Gesetze, 895 e f.

2

Platon: Philebos, 30 e.

3

Platon: Gesetze, 896 a ff.

4

Siehe oben S. 213 f.

5

Uber Unsterblichkeit und Sittenlehre siehe oben S. 204 ff.