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[200/201]

und süß und zu allem, bei dessen Anwendung die Seele, wenn sie die göttliche

Vernunft

(νού

ν

'θειον

)

hinzunimmt ... stets alles richtig ... lenkt; wenn sie da-

gegen mit Unvernunft (

άν

oία

) sich zusammengesellt,wieder alles auf die entgegen-

gesetzte Weise hievon vollführt“ (896 e f.).

Die gute Weltseele herrscht, weil die Bewegungen, welche wir in der Natur

sehen, den Berechnungen der Vernunft entsprechen (897 c ff.)

Die Ideenbestimmtheit der Natur endlich geht aus vielen oben angeführten

Äußerungen Platons

1

hervor, auch allgemein aus der Lehre von der Begrenzung

des Unbegrenzten im „Philebos“. In welchem Verhältnisse die Bestimmtheit der

Natur durch die Weltseele zu ihrer Bestimmtheit durch die Ideen steht, wird von

Platon nicht näher erklärt. Wohl ähnlich wie auch sonst Seele und Geist. Man

wird wohl annehmen dürfen, daß die Teilseelen der Weltseele mit den die Natur

durchwaltenden Ideen einerlei sind. So heißt es in den „Gesetzen“ (898 d): „Den

Körper der Sonne sieht zwar jeder Mensch, aber nicht ihre Seele“, vielmehr steht es

so, „daß dieses ganze Geschlecht (der Seelen) ohne für uns durch alle Sinne des

Körpers wahrnehmbar zu sein, ihn umgebe, aber nur durch das Denken erkennbar

sei.“ Durch das Denken sind nur Ideen erkennbar. Hier wird die Seele der Sonne

und anderer Gestirne ausdrücklich für göttlich und derjenige, welcher den Satz,

daß „alles voller Götter sei“, leugnet, für „w a h n s i n n i g“ erklärt — womit der

religiöse Ursprung der Ideenlehre abermals erhärtet ist.

Als eine Entsprechung zur bösen Weltseele möchte ich den aus dem „Phile-

bos“ erschließbaren düsteren Gedanken Platons betrachten, daß das C h a o s

n o c h f o r t b e s t e h e , daß das All nicht vollständig geformt sei. Es heißt

dort, „daß es sowohl vieles Unbestimmte (

άπειρον

) in dem Ganzen gibt, als Be-

stimmtes genug . . ( 3 0 c); dazu „Theaitetos“ (176 a): das Böse muß sein.

In dem B e g r i f f d e r M a t e r i e ist in Platons Schriften für zwei Auf-

fassungen Raum. Die eine, wonach die Materie als etwas Selbständiges, Vorgege-

benes den Ideen gegenüberstünde („Timaios“); die andere, wonach sie nur die Ver-

schiedenheit, Anderheit, Negativität, im Verhältnis der Ideen untereinander fort-

setzte („Sophistes“). Die Materie wäre nach der letzten Auffassung das bedingt

Nichtseiende (

μή ό

ν

),

das heißt hegelisch gesprochen, das Moment der Aufhebung

der abstrakten Einheit des Seins zur Besonderung, Konkretisierung. Diese Ver-

schiedenheit oder Vielheit besteht aber nicht ohne die / Gemeinschaft der Ideen,

nicht ohne deren an sich identisches Sein, nicht ohne Einheit.

Die Vermittlung beider Auffassungen scheint uns am klarsten der „Philebos“

zu lehren, wo die Idee als das Bestimmte, die Materie als das Bestimmungslose er-

scheint. Das Bestimmungslose ist also nicht schlechthin nichts, sondern bedin-

gungsweise ist es doch; soferne es nämlich die Bestimmtheit der Idee a u f z u -

n e h m e n vermag. Auch schon im „Timaios“ wird die Materie als die „Mutter

und Aufnehmerin in alles gewordenen Sichtbaren“ bezeichnet, welche ,„stets alles

aufnimmt und doch niemals irgend eine Gestalt hat“, also selbst qualitätslos ist,

aber doch „auf irgendeine unerklärliche Weise am Geistigen teilhat“

2

. Plotin

verglich demgemäß die Materie mit einem Hause, in dem sich die Bewohner prü-

geln (sie spürt es nicht, beherbergt alles).

Man kann nun sagen, daß der „Sophistes“ den hiermit angedeuteten Gedan-

ken des relativen Nichtseins der Materie zur Lehre vom relativen Sein des Nicht-

seienden fortführe, indem er ihn auf die Differenzen in der Ideenwelt anwendet.

1

Vgl. z. B. oben S. 206 f.

2

Platon: Timaios, 50 c, e, 51.