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Wir sehen aber in diesem Lehrbegriffe den N a c h t e i l , daß
er die von der Materie in Wahrheit aufgenommenen Bestimmungen
gar nicht erklären kann. Denn zum Beispiel Wärme, Farbe, Festig-
keit, Kristallgestalt sind ja selbst nichts Denkendes, nichts Geistiges,
also auch nichts Ideenhaftes! Daraus folgt gegen Platon, daß die Be-
stimmtheiten der Materie selbst nur m i t t e l b a r als geistige, als
ideenhafte aufgefaßt werden können; also in der Materie etwas Ver-
mittelndes / gesucht werden müsse. Die chemisch-physikalischen
Eigenschaften gehören der Materie selbst an, erst Leben und Gestalt
nimmt sie (zum Beispiel an einer Pflanze) als ideenhafte, geistartige
Bestimmtheit auf, vermittelt also in diesem Sinne die Idee, stellt sie
dar
1
.
Mit dem Gedanken, daß auch das Nichtseiende relativ doch sei,
ist von selbst auch ein anderer, der übrigens altgriechisches Lehrgut
ist (Heraklit), verbunden, der Gedanke, daß der Gegensatz zum
Wesen des Seins gehöre, daß der G e g e n s a t z e s s e i , d e r
d i e W e l t b e w e g e . Denn wie Platon im „Sophistes“ zeigt, ist
das Nichtseiende als unvermeidlicher Gegensatz zu dem Bestimmt-
seienden aufzufassen. Diese Gegensatzlehre nennt Platon, wie uns
bekannt, Dialektik. Allerdings finden wir in den Platonischen
Schriften den Gegensatzgedanken nicht in der hier ausgesproche-
nen Bestimmtheit entwickelt. Doch spricht die Annahme einer bö-
sen Weltseele (welche man merkwürdigerweise als Verlegenheit zu
empfinden pflegt) deutlich für die ernste metaphysische Bedeutung
des Gegensatzgedankens im Rahmen des Platonischen Denkens.
c.
Ideenlehre
2
α.
Begründung des Ideenbegriffes
Platons unsterbliches Verdienst ist es, die schöpferischen Mächte,
welche im rastlosen Flusse des Werdens sich behaupten, welche ma-
chen, daß alle Veränderung nicht ein ungeordnetes Durcheinander
1
Vgl. mein Buch: Naturphilosophie, Jena 1937, 2., durchgesehene Aufl.,
Graz 1963 (= Gesamtausgabe Othmar Spann, Bd 15).
2
Von Aristoteles’ Bericht, Platon habe zuletzt die I d e e n z u I d e a l -
z a h l e n gemacht, sehen wir ab, zumal uns das Ganze der Platonischen Alters-
philosophie in den „Gesetzen“ aufbewahrt und dort nichts von diesem system-
widrigen Gedanken enthalten ist. Sind ja auch sonst des Aristoteles Behauptun-
gen über die Ideenlehre öfters kaum verständlich.