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[206/207]

231

Wir sehen aber in diesem Lehrbegriffe den N a c h t e i l , daß

er die von der Materie in Wahrheit aufgenommenen Bestimmungen

gar nicht erklären kann. Denn zum Beispiel Wärme, Farbe, Festig-

keit, Kristallgestalt sind ja selbst nichts Denkendes, nichts Geistiges,

also auch nichts Ideenhaftes! Daraus folgt gegen Platon, daß die Be-

stimmtheiten der Materie selbst nur m i t t e l b a r als geistige, als

ideenhafte aufgefaßt werden können; also in der Materie etwas Ver-

mittelndes / gesucht werden müsse. Die chemisch-physikalischen

Eigenschaften gehören der Materie selbst an, erst Leben und Gestalt

nimmt sie (zum Beispiel an einer Pflanze) als ideenhafte, geistartige

Bestimmtheit auf, vermittelt also in diesem Sinne die Idee, stellt sie

dar

1

.

Mit dem Gedanken, daß auch das Nichtseiende relativ doch sei,

ist von selbst auch ein anderer, der übrigens altgriechisches Lehrgut

ist (Heraklit), verbunden, der Gedanke, daß der Gegensatz zum

Wesen des Seins gehöre, daß der G e g e n s a t z e s s e i , d e r

d i e W e l t b e w e g e . Denn wie Platon im „Sophistes“ zeigt, ist

das Nichtseiende als unvermeidlicher Gegensatz zu dem Bestimmt-

seienden aufzufassen. Diese Gegensatzlehre nennt Platon, wie uns

bekannt, Dialektik. Allerdings finden wir in den Platonischen

Schriften den Gegensatzgedanken nicht in der hier ausgesproche-

nen Bestimmtheit entwickelt. Doch spricht die Annahme einer bö-

sen Weltseele (welche man merkwürdigerweise als Verlegenheit zu

empfinden pflegt) deutlich für die ernste metaphysische Bedeutung

des Gegensatzgedankens im Rahmen des Platonischen Denkens.

c.

Ideenlehre

2

α.

Begründung des Ideenbegriffes

Platons unsterbliches Verdienst ist es, die schöpferischen Mächte,

welche im rastlosen Flusse des Werdens sich behaupten, welche ma-

chen, daß alle Veränderung nicht ein ungeordnetes Durcheinander

1

Vgl. mein Buch: Naturphilosophie, Jena 1937, 2., durchgesehene Aufl.,

Graz 1963 (= Gesamtausgabe Othmar Spann, Bd 15).

2

Von Aristoteles’ Bericht, Platon habe zuletzt die I d e e n z u I d e a l -

z a h l e n gemacht, sehen wir ab, zumal uns das Ganze der Platonischen Alters-

philosophie in den „Gesetzen“ aufbewahrt und dort nichts von diesem system-

widrigen Gedanken enthalten ist. Sind ja auch sonst des Aristoteles Behauptun-

gen über die Ideenlehre öfters kaum verständlich.