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[207/208]

sei; welche trotz allen Wechsels doch als sich selbst gleichbleibende

Wesenheiten sich in der Welt darstellen, als intelligible Wesenhei-

ten, Gesichte oder Ideen begrifflich gefaßt zu haben.

Damit begründete Platon eine für alle Zeiten gültige Erkenntnis,

die Erkenntnis, daß das ein Lebewesen und Ding Bestimmende, das

zugleich Individuelle wie Allgemeine, nicht durch Anhäufung der

Teile entstehe; und daß das Allgemeine nichts abstrakt Erdachtes,

vielmehr die höhere Wirklichkeit gegenüber den Einzelwesen sei.

Die Idee ist ihm kein „verdinglichter Allgemeinbegriff“, wie man

heute fälschlich behauptet, sondern übersinnliche Wirklichkeit, als

solche sinnliches Sein begründend! Der ekstatische Ursprung und

Sinn des Ideenbegriffes läßt auch die Fragen der „Teilnahme“ und

„Jenseitigkeit“ in eigenem Lichte erscheinen

1

.

/

Neben diese ontologische tritt die e r k e n n t n i s t h e o r e t i -

s c h e Seite des Ideenbegriffes. Der erkennende Teil der Einzel-

seele, der Geist

(νούς)

nur kann das Geistige der Wesen, die

Ideen, erkennen — am eigentlichsten in der Versenkung! Hier

bricht Platon ab und gibt uns das Bild der vorweltlichen „Erinne-

rung“ (Anamnesis) statt des strengen Begriffes der Erkenntnis. Doch

dürfen wir als den großen Grundgedanken erschließen, daß der

menschliche Geist, der eine Idee ist, die anderen Ideen in sich be-

f a s s e und der Vorgang der Erkenntnis daher grundsätzlich darin

bestehe, aus dem Inneren des Menschen selbst die Erkenntnisse her-

aufzuholen, sie, die schon in ihm schlummern, in sich selbst zu er-

w e c k e n . Daß in solcher Erweckung der letzte Sinn jedes Aprioris

und jeder Selbstsetzungslehre liege, berührten wir schon in früheren

Zusammenhängen.

Der Satz „Gleiches wird durch Gleiches erkannt“, wäre demnach

in der Sprache unserer Ganzheitslehre zu erläutern durch den Satz:

Befaßtes wird durch Befassendes erkannt.

Übrigens ist die Unmöglichkeit, über die Annahme des Allge-

meinen (der Idee), schon allein vom Standpunkte der Logik aus

hinwegzukommen, klar nachweisbar. Denn gäbe es nur Einzelwesen

und wären die Allgemein- oder Gattungsbegriffe nur „Namen“,

zweckmäßige Abkürzungen (wie die Nominalisten und Empiristen

sagen), dann könnte ihnen keine Wahrheit zukommen, dann wäre

1

Siehe oben S. 212 f., unten S. 233.