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Nach unserer Ganzheitslehre müßte sich die Ideenwelt nach einer A u s g

1

i e -

d e r u n g s o r d n u n g scheiden, das heißt (1) nach einer Hierarchie von Stufen,

(2) nach einem System von Teilinhalten. Unter Stufen verstehen wir den Stock-

werkbau der Gattungen und Arten. Die höhere (allgemeinere) Stufe, zum Beispiel

Tiere, gliedert sich jeweils zu niederen (besonderen) Stufen, zum Beispiel Säuge-

tier, Raubtier, aus. Nur von S t u f e n k a n n e s I d e e n g e b e n . Denn

nur die Stufen sind subjektartige Wesenheiten, wie zum Beispiel die Tierheit,

deren

Unterganzheiten

wieder

die

Säugetierheit,

deren

Unterganzheiten

wieder die Raubtierheit, Huftierheit und so fort sind; die Teilinhalte dagegen

sind die allgemeinen Eigenschaften, welche vielen Ganzheiten (Ideen) zukom-

men, das heißt deren Aktionsweisen sind. Zum Beispiel die Eigenschaften der

Säugetiere: haben Gleichwärmigkeit, atmen durch Lungen, bringen lebendige

Junge zur Welt und so weiter. Es kann nun nicht die Idee Säugetierheit (Stufe)

und die Idee „Gleichwärmigkeit“ (Teilinhalt) geben. Letztere ist nur eine Ak-

tionsweise, eine Eigenschaft der Säugetierheit. Die Stufen, das heißt die Gattun-

gen, Familien, Arten, sind, so können wir auch sagen, das K o n k r e t - A l l -

g e m e i n e , Subjektartige, und von diesem gibt es Ideen; die Teilinhalte da-

gegen, das auf vielen Stufen auftretende A b s t r a k t - A l l g e m e i n e und von

diesem, vielen Wesenheiten angehörenden kann es nicht nochmals Ideen geben.

Nähme man von den allgemeinen Eigenschaften — wie etwa: weiß, groß, kurz-

lebig, tugendhaft — auch Ideen an, so stürzte man den Ideenbegriff in ein Chaos.

Gegen Platon ergibt sich also, daß es nur von den Stufen der Ganzheiten,

das heißt vom Stockwerkbaue der Gattungen und Arten, also von S u b j e k t -

a r t i g e n W e s e n h e i t e n , Ideen gebe. Auch das ist auf geistige und orga-

nische Wesen beschränkt, denn vom Anorganischen, der Materie, kann es keine

Ideen geben, da echte Ganzheiten auf materiellem Gebiete nicht bestehen.

Beachtet man den Unterschied von Stufe und Eigenschaft (Teilinhalt), dann ist

auch die Schwierigkeit der platonischen Ideenlehre gebannt: das i n d i v i d u e l l e

S e i n zu erklären. Denn jede Stufe, auch die höhere, allgemeine ist zugleich

konkret, individuell. Nur die Teilinhalte sind abstrakt-allgemein.

/

δ. Reich der Ideen. Ableitung des Inhaltes der Welt

Ein großartiges Lehrstück, das aber Platon nicht zu Ende führte,

ist die Lehre von der Gliederung oder „Gemeinschaft der Ideen“,

der

κοινωνία

των γενών

1

1

.

In der Dialektik und Diairesislehre

Platons sind dazu Ansätze vorhanden, indem Platon vom Gegen-

sätze und der Verschiedenheit (

διαίρεσις

, Scheidung) aus die Aus-

gliederung der Ideen und damit die Begründung des Mannigfaltigen

in der Welt zu untersuchen fordert.

Ist die Welt ideendurchwaltet, ist sie Geist, dann muß man die Setzungsschritte

des Geistes auch in einem großen Gesamtentwurfe nachbilden, a b

1

e i t e n kön-

nen — so sagte sich der deutsche Idealismus! Auch Platon scheint sich diese Frage

mehr und mehr vorgelegt zu haben, je mehr er in der logischen Ausarbeitung

seines Gedankenbaues fortschritt, wie uns vor allem der „Sophistes“ beweist. —

Schelling und Hegel versuchten die Aufgabe, die innere Entfaltung der Welt des

Platon: Sophistes, 252 a ff.