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Wesentlich an dieser Gotteslehre ist, daß Gott als erster Grund

alles Seienden gefaßt wird; Gott ist die Ursache des ewig Gleichen

und Unveränderlichen im Verhalten der Dinge. Das Unbewegte,

sagt / Aristoteles, erzeugt nur eine Bewegung: die in sich selbst

zurückkehrende Kreisbewegung

1

der oberen Sphären (die Fix-

sterne sind Götter). Erst was von diesen wieder bewegt wird, wird

auf entgegengesetzte Weise bewegt und so entsteht das Veränder-

liche.

Gott ist aber nicht nur Urgrund der Welt, sondern auch ihr

Z w e c k . Denn er entwickelt sich nicht erst aus der Welt, sondern

geht ihr logisch voran: „das Vollkommene ist früher als das Un-

vollkommene“

2

. Als Endzweck alles Seins ist Gott ferner das

h ö c h s t e G u t . Darum bewegt er auch unbewegt das All, weil

nach ihm, als dem Schönsten und Besten, alles strebt. Das ist der

später mit Recht so genannte Zug der D i n g e z u G o t t

3

.

Im Vergleiche zu Platon findet sich bei Aristoteles die Gottes-

lehre bestimmter ausgeführt. Schon für Platon ist Gott Geist, sich

selbst erkennender Geist

4

und „seiendes Sein“ (wie zugleich „jen-

seits des Seins“). Aber diesen Geistesbegriff führt erst Aristoteles

näher aus. Ähnlich steht es mit der Lehre vom „ u n b e w e g t e n

B e w e g e r“. Auch sie, das muß gegen die herrschende Meinung

entschieden hervorgehoben werden, ist platonischen Ursprungs!

Wenn nämlich Platon sagt, daß „der Gottheit Geist durch Vernunft

und ungetrübte Wissenschaft sich nährt“

5

und ihn als mythischen

Beweger der Sphären, der dabei „immer derselbe“ (also u n b e -

w e g t ) bleibt, erklärt

6

— so gibt Aristoteles diesen Gedanken

durch die Lehre vom sich „selbst denkenden Denken“ und dabei

„unbewegten Beweger“ erst streng begrifflichen Ausdruck.

Die Meinung, Platons Lehre von der Selbstbewegung des Geistes

7

, also Gottes,

und die Lehre von Gott als unbewegtem Beweger seien nicht miteinander ver-

einbar, ist irrig. Man muß den m y s t i s c h e n S i n n dieser Begriffe erwägen,

um ihre Einheit zu verstehen. Die mystische Versenkung ist ein Zustand, in wel-

1

Ähnlich Platon: Staatsmann, 169 d f.

2

Aristoteles: de coelo, I, 2.

3

Aristoteles: Metaphysik, XII, 7.

4

Siehe oben S. 212.

5

Siehe oben S. 212. — Platon: Phaidros, 247 c f.

6

Platon: Staatsmann, 269 d.

7

Platon: Timaios, 77 b f.; Gesetze, 896 a und öfter.