Table of Contents Table of Contents
Previous Page  5925 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 5925 / 9133 Next Page
Page Background

[215/216]

241

chern der Geist sich in höchster innerer Spannung empfindet, in einem Schöpfer-

tume, das durch Selbstsetzung, Selbstbewegung bezeichnet werden muß; und doch

auch zugleich, sofern insichselbst versunken, als unbewegt. Darum finden sich in

aller Mystik Erkenntnisse solcher Art! In der altindischen Bhagavadgita heißt es

(XII, 17, 15

):

„Uber alle Wesen erhaben, wohnt er (Gott) dennoch in allen; in

s i c h s e l b s t u n b e w e g t , bewegt er sie...“ Das ist aus der inneren Er-

fahrung des Yogazustandes gesprochen.

Eine ähnliche Fortbildung erfährt Platons Begriff des „seienden

Seins“

1

, den Aristoteles als „Energeia“, das ist Wirklichkeit, ak-

tuelles Sein bestimmt, wodurch sich erst der Gegensatz, das noch

nicht seiende Sein, als Kraft, das ist als potentielles Sein in voller

Klarheit ergibt

2

.

/

Auch Aristoteles’ Lehren von Gott als dem Endzwecke, dem

höchsten Gute, sind als Ergänzung Platons aufzufassen. Dagegen

fragt es sich, ob nicht — wenigstens in jener Form, in der uns die

an sich so geniale Lehre des Aristoteles von der Weltschöpfung

durch Selbstbeschauung Gottes vorliegt — eine Verdunkelung des

freien Schöpfergedankens des Platonischen „Timaios“ insoferne ge-

funden werden kann, als nach Aristoteles die Welt mit N o t w e n -

d i g k e i t aus dem Selbstgedanken Gottes folgen soll; was dann

zur Anfangslosigkeit der Welt führt; welche Anfangslosigkeit wie-

der den Gottesbegriff bedroht. Denn eine Welt, die immer war,

könnte ja auch Gottes entbehren. Bei aller tiefen Wahrheit der

Lehre, daß das Sich-selbst-Denken der Gottheit zugleich die Welt

schaffe, scheint es, als ob Aristoteles unseres Erachtens hier das Mo-

ment der F r e i h e i t vernachlässigt, so daß er, soferne Gott sich

selbst denken, daher die Welt schaffen m u ß , etwas Naturalistisches

in die Gotteslehre gebracht hätte. Anders aber, wenn man es my-

stisch auffaßt.

2.

V e r m i t t l u n g s - u n d S e i n s l e h r e

a.

Die Form

Die Vermittlung zwischen Gott und Welt erfolgt nach Aristoteles

durch Wesenheiten, die er Eidos (Bild, Gestalt, dasselbe Wort, das

auch Platon am häufigsten für Idee gebraucht) nennt, oder Form

(μορφή,

forma), oder auch „das was war“

(το τι ήν είναι,

wörtlich

1

Siehe oben S. 201 f.

2

Siehe darüber sogleich unten.

16 Spann 13