Table of Contents Table of Contents
Previous Page  5940 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 5940 / 9133 Next Page
Page Background

256

[228/229]

Verwässerung des „Philebos“ zu nennen. — Was nun im besonde-

ren

1 .

die G o t t e s l e h r e anbelangt, so wurde schon klar, wie

sehr Aristoteles mit Platons Gotteslehre in wesentlichen Punkten

übereinstimmt. / Gott ist Geist

(νούς);

Gott ist jenseits der

Welt als der unbewegte Beweger, wodurch der Pantheismus vermie-

den wird; aber es wird auch der Deismus vermieden, denn der Gott

des Aristoteles überläßt die Welt keineswegs sich selbst. Er ist viel-

mehr, wie bei Platon an der Spitze der Ideen so bei Aristoteles

„erste Form“

(

τό

τι ήν είναι πρώτον).

Diese Welt ist daher auch

keineswegs ein Inbegriff von mechanischer Ursächlichkeit, sondern

Gott ist es, der sie bewegt. Er ist der Grund alles Werdens in

der Welt.

In diesem mittelbaren Sinne ist Gott der Welt einwohnend, ohne

daß doch Gott und Welt von gleicher Art wären. Bei sonst grund-

sätzlich gleicher Einstellung ist die Art, wie die Mitwirkung Gottes

in der Welt gedacht wird, allerdings eine andere wie bei Platon.

Bei Platon tritt die Ideenwelt als Vermittlung hervor; bei Aristote-

les ist das Verhältnis Gottes zur Welt durch das Bewegtwerden der

Welt nach jener Art bestimmt, wie der Liebende durch den gelieb-

ten Gegenstand bewegt wird. Das Verhältnis ist also unmittelbarer.

Die Formen (Ideen) haben eine geringere Mittlerrolle. Darum und

weil die Formen, als einwohnend, nur einzeln, konkret auftreten,

kann nun auch der Zweckbegriff weit mehr hervortreten. Zwar ist

alles zum Endzweck, Gott, hingeordnet, aber die einzelne Form ist

doch für sich Zweck. Nach Platon dagegen kann das Einzelne nicht

für sich Zweck sein, sondern nur zugleich für das Ganze. Denn ihm

ist auch die Idee in Gemeinschaft

(κοινωνία τών γενών).

Ein großer Wurf des Aristoteles ist es, daß er in Gott, als der sich

selbst denkenden Vernunft, z u g l e i c h R u h e u n d B e w e -

g u n g v e r e i n i g t . Dadurch wird der Platonischen Forderung

im „Sophistes“, daß wir das vollkommene Sein, obgleich dem Wer-

den entzogen, doch nicht ohne „Bewegung, Leben, Seele und Ein-

sicht“

1

denken dürfen, entsprochen. Und noch ein anderer großer

Wurf ist Aristoteles gelungen. Indem dieses Sich-selbst-Denken der

Gottheit zugleich schöpferische Wirksamkeit ist, bleibt Gott sowohl

1

Siehe oben S. 215.