262
[234/235]
Metaphysik der Leibniz-Wolffischen Schule, wozu durch Lessing
noch Spinoza kam. Daß der junge Fichte völlig in Kantens Lehre
lebte, daß der junge Schelling ebenfalls zuerst in Kantens, dann in
Fichtes Lehre heranwuchs, daß Hegel die Verschiedenheiten der
Fichtischen und Schellingischen Lehre zum Ausgangspunkte nahm,
das bedeutet, daß sie anfangs alle ohne gründliche philosophiege-
schichtliche Kenntnisse an den Aufbau ihrer Systeme herangingen.
Schelling und Hegel wandten sich erst später der Lehrgeschichte zu.
Ihre Schüler, A l b e r t S c h w e g l e r , E d u a r d Z e l l e r ,
J o h a n n E d u a r d E r d m a n n , K u n o F i s c h e r , J o -
h a n n U l r i c h W i r t h , F r i e d r i c h A s t , H e i n r i c h
M o r i z C h a l y b ä u s , C h r i s t i a n A u g u s t B r a n d i s ,
H e i n r i c h R i t t e r , F i c h t e d e r S o h n , F e r d i n a n d
C h r i s t i a n B a u r und andere wurden erst die Begründer einer
wissenschaftlichen Geschichte der Philosophie!
Es ist denkwürdig, daß der neuere Idealismus, obwohl er ge-
wissermaßen mit sich selbst anfing, vom alten nicht grundsätzlich
verschieden ist. Je tiefer die Philosophen schürften, um so mehr tra-
fen sie zuerst innerlich und dann auch begrifflich mit den Alten zu-
sammen. Daher kamen sie zuletzt bewußt auf die Alten zurück und
fingen an, sie zu studieren.
Entscheidend für die richtige Auffassung des deutschen Idealismus
ist nun nach unserer Überzeugung seine Einheit. Wer den deutschen
Idealismus verstehen will, muß die Lehrgebäude von K a n t ,
F i c h t e , / S c h e l l i n g , H e g e l und auch B a a d e r als eine
Einheit nehmen. Diese „Einheit“ darf kein leeres Wort bleiben.
Sie muß ebenso im Zusammenhange der Hauptlehrbegriffe wie
der Eingebungsgrundlagen nachgewiesen werden. Bei Kant findet
sich allerdings erst die Vorbereitung. Aber die Grundlegung gibt
schon die Setzungslehre Fichtes, den Aufbau vollzog Schelling in
seiner frühen Lehre, einen mehr logisch gearteten Umbau Hegel,
einen mehr mystischen Schelling in seiner späteren Lehre, während
Baader die mystische Richtung von Anbeginn einschlug.
Das ist der innere Zusammenhang der Lehrgebäude des deutschen
Idealismus.
Da wir Leibniz, Kant, Fichte schon früher behandelten, wenden
wir uns nun dem Gedankenbau, den Schelling zuerst auf dem Fich-
tischen Grunde aufführte, zu.