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Form muß dann auch den Einzeldingen irgendwie t r a n s z e n -
d e n t sein — die reine Einwohnung ist undurchführbar; (e) wird
sie aber dennoch festgehalten, dann ginge die Überwelt (Formen-
welt) in der Welt unter — Pantheismus wäre die Folge!
Metaphysisch hatte Platon ferner mit dem Abfallsgedanken
1
und
mit der Bestimmung des Stofflichen als dem Chaos (Apeiron), worin
ein unauflöslich Dunkles liegt, auf tiefere Hintergründe der Welt
gedeutet.
/
Einen entschiedenen Fortschritt machte dagegen Aristoteles in
der S e i n s l e h r e . Durch die klarere Unterscheidung des mög-
lichen und wirklichen Seins vermochte er auch die Genesis oder
Bewegung systematisch in die Ontologie einzuführen. Diese Be-
reicherung der Platonischen Seinslehre gelang durch strengere Fas-
sung und kraftvolle Durchführung des Platonischen Begriffs des
„seienden Seins“
2
. — Auch die Kategorienlehre wurde fortgebil-
det
3
.
Ein Mangel seiner Seinslehre ist aber das Fehlen einer D i a -
l e k t i k . Die Frage, nach welchen Differenzierungsformen oder,
wie wir sagen würden, Ausgliederungsschritten die Entfaltung der
Formenwelt geschieht, diese Frage, die Platon schon unter dem Na-
men „Dialektik“ und „Diairesislehre“ andeutend aufwarf, sie gerade
wird von Aristoteles kaum behandelt. Erst in der Dialektik Fich-
tes, Schellings und am meisten Hegels sehen wir das Streben, die
Vermannigfaltigungsformen, die den Weg des Geistes in seiner
Entfaltung bezeichnen, zu verfolgen.
In der G e i s t e s p h i l o s o p h i e u n d N a t u r p h i l o -
s o p h i e bestehen, von der Weltseele und von der größeren Er-
fahrungstreue abgesehen, grundsätzliche Unterschiede zu Platon
nicht. Auf einzelne Lehrbegriffe wird später im Vergleiche zum
deutschen Idealismus noch Licht fallen
4
.
3 . Die F r a g e , w o r i n A r i s t o t e l e s P l a t o n v o l l -
e n d e t e , ließe sich, abgesehen von den einzelnen, schon besproche-
nen Lehrbegriffen nunmehr wie folgt beantworten:
1
Siehe oben S. 217.
2
Siehe oben S. 244.
3
Vgl. darüber mein Buch: Kategorienlehre, 3., durchgesehene Aufl., Graz
1969, S. 25 ff. (= Gesamtausgabe Othmar Spann, Bd 9).
4
Siehe unten S. 319 ff. und öfter.