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und damit als bloße Schranke auffaßte, an der sich das Ich zu ent-

falten habe. Mit dieser sittlichen Aufgabe der Natur war allerdings

eine Teleologie in die Naturlehre eingeführt. Aber die Natur war

bei Fichte noch nicht selbst etwas Lebendiges, sie war nur das Mittel

zur Entfaltung des Ich.

Andrerseits erschien Fichtes Idealismus, insoferne als er in der

subjektiven Selbstsetzung des Ich befangen war, doch noch als sub-

jektiver. Die Aufgabe war, den Gegenstand zurückzuerobern, ohne

ihn darum als ein fremdes Anderes, ein unzugängliches „Ding an

sich“, zu nehmen, wie Schelling sagte, den „D u r c h b r u c h i n

d a s f r e i e F e l d o b j e k t i v e r W i s s e n s c h a f t “ zu

vollziehen, mit einem Worte, den „subjektiven“ Idealismus in einen

ontologischen umzubilden.

Der Grundgedanke Schellings nun, der zu diesem Ziele führte,

lautet: Dasselbe Ansich — heiße es das Absolute, Geist, Vernunft

schlechthin, Urgeist oder Weltgeist — das den Setzungen des Ich

zugrunde liegt, setzt sich auch in der Natur. Die Natur ist Geist,

aber ein solcher Geist, der auf der Stufe der unorganischen und

organischen Materie stehen blieb. „Den Beschauenden überfällt mit

plötzlicher Klarheit die Erinnerung von der ursprünglichen Einheit

des Wesens der Natur mit dem Wesen der Seele.“

1

„Die beiden

Sätze ,Ich bin' und ,Dinge sind außer mir' sind identisch.“

2

Da-

durch wird die Ich-Philosophie oder „Transzendentalphilosophie“

Fichtes nicht verneint, aber ergänzt. Es wird ihr eine „Naturphilo-

sophie“ an die Seite gestellt. Die Natur ist nunmehr nicht nur die

selbstgesetzte Schranke des Ich, sondern auch selbst etwas.

Auch vom rein erkenntnistheoretischen Standpunkte aus können

wir uns diese Wendung zum Ontologischen klarmachen. Wenn sich

aus der Lehre Kantens (durch das „Ding an sich“) die Frage ergab:

Wie erkennt man die Natur? (das heißt die Gegenstände); und aus

der Lehre Fichtes (durch den „Anstoß“): Wie erzeugt das Ich die

Natur? so stellt Schelling die Frage von der Natur aus: W i e

k o m m t d i e N a t u r d a z u , e r k a n n t z u w e r d e n ?

1

Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: Uber das Verhältnis der bildenden

Künste zur Natur (1807), Sämtliche Werke, Abt. 1, Bd 7, Stuttgart 1860, S. 315.

2

Schelling: Das System des transzendentalen Idealismus (1800), Sämtliche

Werke, Abt. 1, Bd 3, Stuttgart 1836, S. 341.