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hervorgehen könne, denn einen stetigen Übergang, so sagt Schelling, vom Unend-

lichen zum Endlichen gibt es nicht. Das Irrationale der E x i s t e n z der Dinge

gegen ihren bloßen Begriff, ihr bloßes Wesen, das „D a ß“ („daß sie sind“) gegen

ihr „W a s“ („was sie sind“) ist der dunkle Hintergrund, auf dem sich die Welt

abhob, der bis auf einen „dunklen Grund in Gott“ zurückwies. — Das waren die

Fragen, die Schelling nicht mehr los ließen. In den „Untersuchungen über das We-

sen der menschlichen Freiheit“ (1809), findet Schelling schon im Begriffe des

Seins dieses Irrationale. „Es gibt in der letzten und höchsten Instanz gar kein an-

deres Sein als Wollen. Wollen ist Ursein und auf dieses allein passen alle Prädi-

kate desselben: Grundlosigkeit, Ewigkeit, Unabhängigkeit von der Zeit, Selbst-

bejahung.“

1

Der Schrift über die Freiheit ging die Hinwendung zur Mystik voraus, wozu

A d a m C a r l A u g u s t E s c h e n m a y e r Anregung gab, ferner das Stu-

dium J a k o b B ö h m e s (1575—1624) und der persönliche Umgang mit F r a n z

v o n B a a d e r

2

. Erst nach Schellings Tode erschien seine „Philosophie der

Mythologie“ und „Philosophie der Offenbarung“ (Stuttgart 1857—1858). Schon in

der „Freiheitslehre“ (1809) werden die Fichteschen Begriffe Subjekt, Objekt, Sub-

jekt-Objekt zu „Potenzen“, das heißt Urprinzipien in Gott: „Urgrund“ (Indif-

ferenz), „Naturgrund“, „Verstand“ in Gott. Nun bestimmt Schelling diese Poten-

zen als: „Seinkönnen“, „Seinmüssen“, „Seinsollen“ und leitet von ihnen den gesam-

ten Natur- und Geschichtsprozeß ab. Dem Sein in jeder Potenz geht aber das

„ u n v o r d e n k l i c h e S e i n “ voraus, nicht etwa ein potentielles Sein. Schelling

verdeutlicht dies gelegentlich so: Das „unvordenkliche Sein“ (Gottes) kann man

sich durch den Begriff „ n i c h t w o l l e n d e r W i l l e “ versinnbildlichen. Erst

wenn sich dieser zu einem „wollenden Willen“, der aber noch nicht zum Handeln

übergeht, „erhebt“, ergeben sich die M ö g l i c h k e i t e n des Seins: das „Sein-

können“, das Potentielle im Sein, das daraus fließende Handeln ist: Sein schlecht-

hin „Seinmüssen“; die Synthesis beider: „Seinsollen“, Geist. — Zur Erläuterung

diene noch folgende Übersicht:

/

S c h e l l i n g s P o t e n z e n

1

e h r e

D i e P o t e n z e n i m

A b s o l u t e n r u h e n d

—A, Subjekt oder S e i n -

k ö n n e n ;

(entspricht der „In-

differenz“ der Iden-

titätsphilosophie).

Die

P o t e n z e n

i n

B e w e g u n g (im Pro-

zesse der Verwirklichung)

Das Können geht in Tä-

tigkeit über: —A wird

zu A

1

= B

1

.

Die P o t e n z e n

a l s

P r i n z i p i e n d e r N a -

t u r o d e r a l s k o s -

m o g o n i s c h e

P o -

t e n z e n

A

1

wird im Prozesse der

Naturschöpfung

zur

M a t e r i e

(causa

materialis: aus dem

Können

entsteht

alles) und ist darum

als B zu bezeichnen

3

.

1

Schelling: Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit (1809),

Sämtliche Werke, Abt. 1, Bd 7, Stuttgart 1860, S. 419.

2

Siehe unten S. 278.

3

Von Schelling „B“ so genannt, weil das Seinkönnen, aus der bloßen Mög-

lichkeit herausgetreten, nunmehr selbst „zu a l l e m S e i n “ wurde und nun