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den nächsten Aufgaben, die wir jetzt zu lösen haben, abziehen. Ge-

nug, wenn wir Schelling in jenem Zusammenhange, um den es hier

geht, erklären und verteidigen können.

α. Gotteslehre

Eine Gotteslehre war in der ersten Philosophie Schellings nicht

beabsichtigt. In der Identitätsphilosophie aber war sie insoferne un-

genügend, als uns hier nur der Grund der Welt begegnet, der wohl

ein Göttliches, „Absolutes“ ist, aber nicht hinlänglich als ein über-

weltliches Sein (ens a se), als ein Sein von anderer Art als das ge-

schaffene Sein (das ens ab alio) bestimmt wird; sondern bloß als

„Einerleiheit“ oder „Indifferenz*' von Natur und Geist (die aller-

dings „Vernunft“ ist). Diese Bestimmung dünkt uns an sich un-

widersprechlich. Wenn sie aber allein dasteht und das Überweltliche

erschöpfen soll, verführt sie einerseits zum Pantheismus, denn das

überweltliche Sein selbst, so könnte es scheinen, differenziert sich

nun zu Natur und Geist: Gott ginge in die Welt über und folglich

in ihr unter; andererseits zum Naturalismus, denn das göttliche

Sein könnte nun (dialektisch) auf naturnotwendige Art sich setzend

gedacht werden (was allerdings Schelling nicht so meinte). Ferner

erscheint das Absolute, i n s o f e r n e es als bloße Indifferenz be-

stimmt wurde, noch auf spinozische Weise als Unpersönlich-Allge-

meines

1

. Andererseits schließt die Indifferenz Schellings die Per-

sönlichkeit Gottes insoferne doch nicht aus, als sie ja als „absolute

Vernunft“ bestimmt wurde

2

. „In dem Urgrunde oder der Indif-

ferenz“, sagt Schelling später

3

, / „ist freilich keine Persönlichkeit;

aber ist denn der Anfangspunkt das Ganze?“ Die Spätlehre jeden-

falls erhebt Gott hoch über die Welt, ohne doch den Gedanken der

Natur- und Identitätsphilosophie gänzlich fallen zu lassen.

Gegen die übliche Auffassung betonen wir, daß die Identitätsphilosophie

Schellings demnach von Anbeginn nicht durchaus pantheistisch aufzufassen ist. Sie

entwickelte immer klarer, daß Gott nicht die b l o ß e Indifferenz der Weltdiffe-

renzen, nämlich von Natur und Geist, sein könne, noch weniger die bloße Potenz

im Sinne eines Vermögens, während die Welt der Actus, also die Selbstverwirk-

1

Vgl. dagegen allerdings Henrik Steffens: Was ich erlebte, Aus der Erinne-

rung niedergeschrieben, Breslau 1840-44, oben S. 2

66.

2

Schon 1801, siehe oben S. 270.

3

Schelling: Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit (1809),

Sämtliche Werke, Abt. 1, Bd 7, Stuttgart 1860.